Über den Milchsee

Johan Simons erzählt mit Heinar Kipphardts «März» an den Münchner Kammerspielen eine elementare Liebesgeschichte

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Manche Geschichten, die man zu ken­nen glaubt, lassen sich mit einer leichten Verschiebung ganz neu erzählen, gefiltert durch einen konsequent subjektiven Blick jenseits themenfixierter Recherche. So hat Johan Simons Heinar Kipphardts Roman «März» aus dem Jahr 1976 über den dichtenden Schizophrenen oder schizophre­nen Dichter Alexander März, diesen literarischen Paradefall der Antipsychiatriedebatte der 1970er Jahre, neu gelesen und sich dabei an seinen Vater erinnert, der wie der fiktive März und sein reales Vorbild Ernst Herbeck mit einer Hasenscharte geboren wurde.

Doch natürlich ist auch diese Erinnerung nicht Inhalt, sondern allenfalls Auslöser dieser ebenso intensiven wie offenen theatralen Auseinandersetzung in der Spielhalle der Münchner Kammerspiele.

Zusammen mit den drei Schauspielern Tho­mas Schmauser, Sandra Hüller und Sylvana Krappatsch hat Simons einen Weg gefunden, um aus der Vorlage einen Flug weit über das Kuckucksnest hinaus zu machen. «Die Schizophrenie als Prozess ist das einzig Universelle», verkündeten Deleuze und Guattari schon 1972 in ihrem Kultwerk «Anti-Ödipus». «Die Schizophrenie ist zugleich Mauer, Durchbruch der Mauer und Scheitern des Durchbruchs.» Das ...

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Theater heute April 2014
Rubrik: Aufführungen, Seite 12
von Silvia Stammen

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