Professor Wolff
Vier Tage sind es nur. Vier Tage und ein bisschen. Danach sind ihr Leben und Beruf zerstört. Ist sie diskreditiert und «frei gestellt», ist sie «eine Führungskraft, der niemand folgt», ist sie verlassen und verloren. Dass und wie sehr eine einzige – womöglich falsche – Entscheidung ein Leben verändern, gar zerstören kann. Vor allem, wenn diese Entscheidung viral geht.
In der sehr freien Bearbeitung von Schnitzlers «Professor Bernhardi» statuiert Robert Icke ein Exempel.
Ruth Wolff heißt seine Protagonistin, die titelgebende «Ärztin»: Sie leitet eine Privatklinik, spezialisiert auf Alzheimer. Als sie einem Priester den Zutritt zu einer jungen, im Sterben liegenden Patientin verweigert, weil es in deren Akte keinen Hinweis auf ihre Religion gibt, kommt es zum Eklat – erst intern, dann im Netz. Wolff wird Rassismus vorgeworfen, denn der Pfarrer ist schwarz (Stefan Pucher besetzt ihn mit Hajo Tuschy weiß). Außerdem sieht sich die Ärztin –als weiße und nicht gläubige Jüdin, ohne «freitags das mit den Kerzen»–, bald antisemitischen und frauenfeindlichen Angriffen ausgesetzt.
Die destruktiven Diskussionen entfalten sich langsam, aber stetig. Eine Klage wegen fahrlässiger Tötung ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Katrin Ullmann
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