Petromaskulinität

Über das Partriarchat, die Klimakrise, den Reifenabrieb und die Macht

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Das Patriarchat cancelt seit Jahrtausenden die Rechte von Frauen, Minderheiten, vulnerablen Gruppen, der Queercommunity, Tieren und der Natur. Das muss es auch, denn nur so kann das Patriarchat am Leben bleiben.

Bell Hooks beschreibt das Patriarchat nicht als einen einzelnen Mann, sondern als «ein politisch-so -ziales System, das darauf besteht, dass Männer von Natur aus dominieren, allem und jedem überlegen sind, der als schwach gilt, insbesondere Frauen, und dass sie das Recht haben, die Schwachen zu dominieren und über sie zu herrschen und diese Dominanz durch verschiedene Formen des psychologischen Terrorismus und Gewalt aufrechtzuerhalten.»

Das erste Opfer des Patriarchats sind nicht Frauen, sondern kleine Jungs, denen schon früh hegemoniale Männlichkeit indoktriniert wird, die auf Dominanz, Machtbewusstsein, Alleinsein, Wut, Verdrängung eigener Emotionen, Selbstüberschätzung, Technikorientierung und der Einhaltung/Erhaltung einer pyramidenförmigen Machtstruktur beruht. Auf den ersten zehn Plätzen der reichsten Menschen der Welt sind ausschließlich weiße Heteromänner, die auch grundsätzlich diese Forbes 2024 Liste dominieren. Das ist auch das eine Prozent der Menschheit, das genauso viel CO2 wie die Hälfte der Weltbevölkerung verballern, obwohl es die Macht hätte, gegen die Klimakrise anzukämpfen, stattdessen trägt es zur Zerstörung dieser Erde bei. Die reichsten Männer dieser Welt canceln die Wissenschaft und zerstören so die Erde für ihre eigenen Profite und ihre Machterhaltung, während sie fallische Raketen ins All schicken, um nach weiteren Planeten zu suchen, um diese dann zu kolonialisieren, auszubeuten und zu beherrschen. Das Patriarchat muss immer wachsen, und dieser rücksichtslose Lebensstil kostet Energie. 125 Milliardäre verbrauchen so viel CO2 wie ganz Frankreich.

Die Politikwissenschaftlerin Cara Daggett verwendete 2018 den Begriff der Petromaskulinität, der die Verknüpfung weißer, hegemonialer Männlichkeit mit einem Festhalten an fossilen Brennstoffen, Klimawandelleugnung und Autoritarismus verbindet. Daggett nimmt das Phänomen Donald Trump und seinen Aufstieg als Beispiel für Petromaskuli -nität. In einer immer diverser und feministischer werdenden Welt fühlen sich patriarchale Männer in ihrer Dominanz bedroht, und insbesondere weiße Männer könnten leicht dazu verleitet werden, ihre hegemoniale Männlichkeit und kulturelle Identität an fossile Brennstoffe und Fahrzeuge zu knüpfen. Auch für Trump und seine Anhänger:innen sind fossile Brennstoffe ein großer Teil der Macht, die sie haben, da fossile Brennstoffe immer noch ein wichtiger Teil des US-amerikanischen Erfolgs sind. USAs Wirtschaft ist die größte der Welt und kann ohne Öl und Gas nicht funktionieren. Achtzig Prozent der amerikanischen Energie stammen aus fossilen Brennstoffen. Diese Ressourcen sichern Millionen von Arbeitsplätzen in den USA, und diese Arbeitsplätze tragen dazu bei, Energie für alle Amerikaner:innen erschwinglich zu machen. Fossile Brennstoffe werden vom weißen Patriarchat schon lange benutzt, um die eigene Macht zu sichern und unabhängig zu bleiben, und wenn diese Symbole der Männlichkeit und Machterhaltung aufgrund der Umwelt in Frage gestellt werden, fühlt sich das Patriarchat angegriffen und reagiert meistens mit noch mehr hegemonialer Männlichkeit, um dagegen zu halten und die eigene Macht zu demonstrieren, wie auch z.B. Andrew Tate. Der Vergewaltiger und Menschenhändler versuchte Greta Thunberg auf X zu dissen, indem er mit seinen 33 Autos, die sehr hohe Emissions-Fußabdrücke haben, prahlte. Doch nicht nur durch den Besitz ebendieser wird toxische Männlichkeit markiert, sondern auch durch einen egomanen Fahrstil.

Jedes Mal, wenn ich auf der Autobahn rechtmäßig überholt habe und eine Lichthupe von hinten kam, war immer ein Mann hinterm Steuer, der wahrscheinlich seinen Haarausfall durch seine Fahrweise versucht hat zu kompensieren. Natürlich ist es auch hier wieder nicht verwunderlich, dass die konservativen Parteien AfD, CDU und die FDP ein Tempolimit auf der Autobahn canceln. Hier werden die Autoindustrie und eine sog. Freiheit über die Sicherheit und den Umweltschutz gesetzt.

Wer schneller fährt, kommt nur wenige Minuten früher ans Ziel, doch bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung würden bis zu zwei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden können. Auch der Autoreifenabrieb würde zurückgehen, von dem 100.000 Tonnen im Jahr entstehen, was laut Fraunhofer Institut ein Drittel der primären Mikroplastik-Emissionen in Deutschland ausmacht. Somit ist der Reifenabrieb der größte Verursacher von Emissionen in Deutschland.

Doch die toxische Männlichkeit empfindet ein Tempolimit als eine Begrenzung der eigenen Hyper-Individualität, deren Drang mit der Obsession nach Freiheit und danach in der Alphapyramide nach oben zu kommen, korreliert. Cara Daggett schreibt hierzu: «Petromaskulinität huldigt fossilen Brennstoffen und autoritären Männern, während ecomodern masculinity einer grünen Zukunft und Liberalismus huldigt. – Beide teilen misogyne Ansichten. Beide betrachten die mehr als menschliche Welt als etwas, das kontrolliert werden muss und beide vergöttern unendliches Wachstum von Profiten und Energie als sakrosankt.»

Die Gesellschaft, in der wir leben, cancelt an allen Orten und in allen Lebensbereichen alles, was das Patriarchat angreift. Die Zerstörung der Umwelt, Misogynie, Fremdenfeindlichkeit und Queerfeindlichkeit sind die Produkte des Patriarchats, das nur überleben kann, indem es tötet, unterjocht, ausbeutet, exkludiert, einnimmt und Grenzen zieht, in der Gesellschaft und auf der Erde.

Der intersektionale Queerfeminismus ist im Gegenzug nachhaltig und kann nur überleben, indem er Leben erschafft, Gemeinschaften bildet, teilt, inspiriert und sich öffnet gegenüber sich selbst und dem Fremden. Deswegen wird das Patriarchat alles in seiner Macht tun, um feministische Forderungen zu canceln, weil die jeweiligen Forderungen beider Parteien diametral zueinander verlaufen.

In diesem Sinne liebe Genoss:innen: Lasst uns das Patriarchat kastrieren. Amen. 

Überarbeiteter Beitrag der Schauspielerin und Autorin zum Wiener Kongress der diesjährigen Festwochen


Theater heute August-September 2025
Rubrik: Foyer, Seite 1
von Mateja Meded

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