Nachts schlägt die Liebe ein
Nur dort, wo männliche Lebenserwartung wegen exzessiven Alkohol-Konsums laut WHO knapp über 60 Jahre beträgt, kann man wohl auf den mystischen und zugleich fast kalauerhaften Gedanken kommen, ein Betrunkener sei ein geeignetes Gefäß göttlicher Erkenntnis. Der Russe Iwan Wyrypajew, Jahrgang 1974, geboren im sibirischen Irkutsk, operiert seit rund zehn Jahren mit offener Gottsuche am säkularen Herzen der bundesdeutschen Stadttheater und gibt offen zu Protokoll, vom Sufismus, einer Form der islamischen Mystik, beeinflusst zu sein.
Auch in «Betrunkene», einer Auftragsarbeit für das Düsseldorfer Schauspielhaus, treffen in acht sketchartigen Szenen vierzehn Wohlstands-Verlorene in diversen Stadien der Sinn- und Gottsuche aufeinander. Wobei «Gott» oft das Synonym für «Liebe» scheint. Festivaldirektor Mark hat Lungenkrebs und landet mit der jungen Frau Marta in trauter Säufer-Union auf der Straße. Sie wird sich später, wie vom Blitz getroffen, in den nächtlichen Heimkehrer Gustav verlieben – seine Frau will vor Schreck den Notarzt holen. Vier reiche Junggesellen feiern den Vorabend einer Hochzeit mit der Prostituierten Rosa im vegetarischen Restaurant, verlangen zunächst feist nach Fleisch ...
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Theater heute April 2014
Rubrik: Chronik Düsseldorf Schauspielhau, Seite 56
von Dorothea Marcus
Am Ende von Peter Handkes biografischem Porträt seiner Mutter, die 1971 Selbstmord beging, fliegt der Ich-Erzähler, der gerade die Todesnachricht erhalten hat, zurück nach Österreich. «Beim Zeitungslesen, Biertrinken, Aus-dem-Fenster-Schauen verging ich allmählich in einem müden, unpersönlichen Wohlgefühl», heißt es in «Wunschloses Unglück». «Ja, dachte ich immer...
Wirklich schön, mal wieder einen Mrozek auf der Bühne zu sehen. Immer noch fabelhaft, mit welch schwarzhumoriger Leichtigkeit der im August vergangenen Jahres verstorbene polnische Dramatiker der verschroben-verlogenen Gesellschaft die Leviten gelesen hat. In «Tango» aus den 60er Jahren trifft es die mehr schlecht als recht situierte bürgerliche Klasse, der Mrozek...
Othello als einer, der steckenblieb in Descartes’ erster Meditation: In seinem Denken findet er keine Gewissheit. Es bleibt nur der Betrüger-Gott, der ihn in allem, was er wahrnimmt, täuscht. Und Jago will das Abbild sein dieses Gotts des Bösen, bekennt er in seinem Glaubensbekenntnis, das Arrigo Boito für Verdis Oper schrieb.
So war es wohl gedacht, wie man den...