Mitte im Untergangsrausch
Au weia.
Hat man so etwas nicht auch schon gesagt? Vom «blauen fleur de sel» geschwärmt, den Wein als «lecker» gepriesen, womöglich über die Vorzüge von Dinkel referiert? Über das Posing durch Postings auf sozialmedialen Kanälen gelästert, jemanden vorschnell des Antisemitismus verdächtigt, den womöglich einzigen Homosexuellen auf der Party ausdrücklich um seine Meinung als Schwuler gebeten und damit diskriminiert? Die erste halbe Stunde des Abendessens, zu dem in Thomas Ostermeiers Urauffüh- rung von Maja Zades «abgrund» die Prenzlauer-Berg-Eltern Matthias und Bettina einladen, lässt einen beständig zusammenzucken. Und es ist nicht nur Fremdscham, die hier angesichts des hohlen Smalltalktänzelns zwischen Lifestyle-Themen, politischen und moralischen Fragen keimt, sondern das dumpfe Gefühl, selbst schon mit solchen Floskeln hantiert zu haben.
Abgelauschter Smalltalk
In Maja Zades zweitem in dieser Spielzeit an der Berliner Schaubühne uraufgeführtem Theaterstück (nach der Genderverkehrungskomödie «status quo») gibt es keine Figuren, nur sehr genau realen Abendessen abgelauschte Repliken. Objets trouvés, sozuagen. Durch sie werden zwar nach und nach als Charaktere (das ...
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Theater heute Juni 2019
Rubrik: Neue Stücke, Seite 20
von Eva Behrendt
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