Mannheim: Parade der Kulturen
Ist Multikulturalismus lediglich eine Ideologie, wie die AfD im letzten Sommer behauptete? Eine ungefüllt herumgeisternde Idee, ein Bündel aus Theorien und Normen, das die Realität zu formen sucht – und nicht umgekehrt? An diesem Tag im Mannheimer Ratssaal sieht es anders aus. Da zeichnen zig Menschen aus Guatemala, Afghanistan, Finnland, Eritrea, Indonesien, Ägypten, Kamerun, Albanien, aus der Schweiz, dem Senegal und aus Frankreich (um nur ein paar zu nennen) das multikulturelle Porträt einer Stadt und entwerfen damit das Bild einer Kultur im Plural, die unseren urbanen Alltag prägt.
Denn Mannheim hat nun als erste deutsche Stadt eine Liste ihres multikulturellen Erbes erhalten, die «Liste des Mannheimer Weltkulturenerbes».
Erdacht haben diesen politisch-performativen Streich das höchst umtriebige freie Kultur- und Theaterhaus Zeitraumexit und der Kurator Jan-Philipp Possmann. In Mannheim leben Menschen aus 160 Nationen, und als die Debatte um «die deutsche Leitkultur» im Frühjahr 2016 an Schärfe gewann, gewann ihre Idee Kontur, diese Menschen abzubilden, die die Einwanderungsstadt Mannheim prägen. Die Idee, dieses Erbe aufzuzeichnen, scheint ebenso charmant wie überzeugend, ist ...
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Theater heute April 2017
Rubrik: Magazin, Seite 67
von Esther Boldt
Geister gibt es in allen Kulturen, Stimmen aus dem Totenreich, Kobolde, Dämonen, bösartige oder verführerische Agenten des Jenseits. Meist haben sie spezielle Anliegen, wollen sich rächen oder entschuldigen, erkannt und erlöst werden, sind mitunter nur für Auserwählte sichtbar – und dabei auch stets so etwas wie ein Spiegel der Lebenden, die von ihnen heimgesucht...
Die Paradoxie des Begriffs «aufgeklärter Absolutismus» bringt E.T.A. Hoffmann in seinem Märchen «Klein Zaches genannt Zinnober» (1819) satirisch auf den Punkt: Die Geschichte fängt damit an, dass ein Fürst per Dekret die Aufklärung einführt. Zugleich werden alle Feen als «Feinde der Aufklärung» des Landes verwiesen. Eine von ihnen rächt sich für die Schmach, indem...
Hans Fallada wusste, was er tat, als er 1934 seinen Roman «Wer einmal aus dem Blechnapf frisst» schrieb: Sechs Jahre vorher war er selbst aus dem Gefängnis entlassen worden, nach zweieinhalb Jahren Haft wegen Betrug und Unterschlagung. Sein Alter Ego Willi Kufalt lässt er fünf Jahre einsitzen und (anders als Fallada selbst, der zum Bestseller-Autor wurde, bevor er...
