Lauter Loser

Christina Tscharyiski inszeniert Ödön von Horváths «Zur schönen Aussicht» am Schauspiel Stuttgart

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Das sind Sätze! «Ist das die Sehnsucht? Still! Jetzt zieht ein Choral durch meine Seele – wenn ich die Wörter nur verstehen würde, diese Silben aus einem anderen Reich, so könnten wir singen.» In solch romantisch klingende Bilder kleidet die abgehalfterte Baronin Ada Freifrau von Stetten in Ödön von Horváths «Zur schönen Aussicht» jenen Augenblick, da ihr die Felle wegzuschwimmen drohen. Diese reiche Strippenzieherin. Diese zur Sentimentalität neigende Alkoholikerin. Diese im übergriffig eingeforderten Sex Vereinsamende.

Das Zitat ist ein treffliches Beispiel für Horváths demaskierenden «Jargon der Uneigentlichkeit», den er seinen Figuren in den Mund legte: eine Sprache, die geklaut ist, aus der Zeit gefallen, mit der sich perfekt aneinander vorbeireden lässt, weil sie eigentlich nichts meint. Hohler Bildungsjargon, der die innere Leere überdecken soll, der eine echte Emotionen vermittelnde eigene Sprache ersetzt. Sentimentalität, Masochismus, Sadismus, Minderwertigkeitsgefühle entlarven sich in diesem Jargon – eine gefährliche Mischung, die Horváth als psychologische Voraussetzung für den Nährboden des Nationalsozialismus ausmachte.

Präziser Ton
Damit solche Sätze sitzen, braucht ...

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Theater heute August-September 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 32
von Verena Großkreutz

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