Kein bisschen zweideutig
Der berühmte Baum, den Samuel Beckett in der ersten Regieanweisung für «Warten auf Godot» einführt, ist in Thomas Dannemanns Kölner Inszenierung auf bedeutungsvolle Weise abwesend. Wenn sich Estragon (Jan-Peter Kampwirth) zu vorgerückter Stunde an diesem Baum aufhängen will, muss Wladimir (Michael Wittenborn) selbigen mit angewinkeltem Bein und verkreuzten Armen selbst performen.
Für dieses Intermezzo unterbrechen Wladimir und Estragon, die einander Didi und Gogo nennen, eine andere, monotone Tätigkeit: Minutenlang hatten sie zu Beginn des Abends versucht, einen riesigen Kleiderberg abzutragen, den die Bühnenbildnerin Katrin Nottrodt an der Rampe aufgeschichtet hat. In aufreizender Langsamkeit waren sie aus der Tiefe des düsteren Bühnenkastens wiederholt nach vorn gehumpelt, hatten stapelweise Textilien aufgenommen und sie schwankend nach hinten geschleppt: Ein aussichts-, weil endloses Unterfangen für die beiden körperlich gezeichneten Männer in ihren schmutzigweißen Kitteln, die man aus Gefängnissen oder Operationssälen kennt. Die Gespräche, die Didi und Gogo bei alledem führen, dürfen denn auch als idealtypisches Beispiel aus der Rubrik «Galgenhumor» gelten.
Kurzum: Thomas ...
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Theater heute Oktober 2011
Rubrik: Chronik, Seite 52
von Christine Wahl
Am Abend, der Tag hält sich jetzt schon wieder etwas länger, sitzen die Männer um den großen Küchentisch herum und machen Brotzeit. Ihr Gespräch dreht sich um den Traktor, den der Seewirt, dieser furchtbar zögerliche Mensch, nun vielleicht doch noch in diesem Frühjahr kaufen wird.
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