Entlastung vor der Welt
Schön war der Dreißigjährige Krieg nicht, schön ist er jetzt erst geworden – in Kehlmanns Roman «Tyll» und noch schöner in Stefan Bachmanns Bühnenversion. Folter, Hinrichtung, Morde, Schlachten – alle Kriegsgräuel kommen im Roman vor, in wunderbar sparsamer, wasserklarer, geschmeidig fließender Sprache mit dezent gesetzten Pointen. Folter, Hinrichtung, Morde, Schlachten – alle Kriegsgräuel kommen in Bachmanns Inszenierung vor, in eben dieser Sprache.
Kehlmanns Erzähltext wird treulich und verständig wiedergegeben, zunächst von einer Kommentatorin am Bühnenrand, dann übernehmen die Figuren ihn, mit allen narrativen Techniken: Dialog, Kommentar, Bericht (und mit allen komischen Effekten, die entstehen, wenn der Stallbursche im hochfeinen Konjunktiv I berichtet, was er angeblich gerade sagt). Wenn wir hören, wie der Erzähler einen Schuss beschreibt, sehen wir, wie auf der Bühne eine Muskete aufblitzt. Bild und Ton wirken getrennt, gerade indem sie sich doppeln. Bachmann überformt diese Wortsprache nicht, er hinterlegt sie mit einer düster-schönen, kunstvoll reduzierten Bildsprache.
Schwarz auf Schwarz
Die Bühne im großen Depot 1 ist gerahmt (Bühne: Olaf Altmann). Ein riesiger, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute November 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Gerhard Preußer
Neue Stücke
Die Wechselfälle des Todes faszinieren Dramatiker im November. In Clemens Setz’ «Die Abweichungen» wird die Putzhilfe Frau Jassem tot in ihrer Besenkammer gefunden, Selbstmord. Hätte sie sich nicht umgebracht, wäre sie aber auch nicht die Künstlerin geworden, als die sie nach ihrem Ableben und hoffentlich auch am Schauspiel Stuttgart entdeckt wird. In...
Es ist nicht so, dass es in Nürnberg seit einer Ewigkeit kein interessantes Theater gegeben hätte. Aber nach 18 Jahren, in denen Klaus Kusenberg als Schauspielchef wirkte, schlich sich das begründete Gefühl ein, hier sei irgendwie die Luft raus: das Ensemble eine eingespielte und zusammengeschworene Gemeinschaft sehr lange am selben Ort engagierter Künstler, denen...
Ein Herrenanzug auf einem Tisch. Sechs Männer und eine Frau, allesamt stummfilmhaft geschminkt und in weißer Feinripp-Unterwäsche, zupfen an ihm herum, bringen ihn allmählich zum Tanzen. Dann stülpen sie den Anzug einem von sich über, dem staunenden jungen Mann mit der Stirnlocke. Und im Handumdrehen ist er zum Protagonisten in Kafkas Erzählung «Das Urteil»...