Dissidenten aller Länder, vereinigt euch!
«Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.» (Carl Schmitt)
Krieg, grassierender Nationalismus, Klimakatastrophe, Inflation, Energiepreisexplosion, riesige sozioökonomische Krise. All das hängt zusammen und verstärkt sich wechselseitig und lässt sich – wenn überhaupt – nur in einer weltweiten gemeinsamen Kraftanstrengung bekämpfen, über alle politischen Gegensätze hinweg. Dazu trägt die Tendenz zum Kommunikationsabruch, die wir gerade erleben, sicher nicht bei.
Nichtkommunikation und Gewalt(-androhung) gelten plötzlich als ganz normaler Umgang zwischen Nationen. Kriegsbegeisterung macht sich breit. Wer etwas dagegen hat und ernsthaft Verhandlungen anmahnt, betreibt das Geschäft des Feindes, gleichgültig, wo er herkommt. Das ist zur Zeit der einzige Konsens, den es zwischen der Ukraine und Russland gibt. Und auch bei uns ist dieser Kurzschluss weit verbreitet. Die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln scheint nur noch eine Möglichkeit zu kennen: vollständige Unterwerfung des Feindes und anschließende Sicherheitsverwahrung. Es wird nicht diskutiert. Mit dem Feind spricht man nicht. Seine Kultur und Geschichte werden getilgt. Er muss erstmal vernichtet werden, dann kann man ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute 10 2022
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Carl Hegemann
Noch bevor alle Zuschauer:innen ihre Plätze eingenommen haben, wird die vierte Wand durchbrochen. Und zwar vom Kamerakran, der weit in den Saal des Hamburger Schauspielhauses hineinfährt und dem Publikum so direkt auf die Pelle rückt. Auge in Kameraauge steht man sich da gegenüber, und das penetrant vor einem filmende Gerät erinnert dabei an das Monster, das im...
Tausend Äxte, die an Seilen vom Bühnenhimmel herabbaumeln, ein monströs großes Kruzifix, ein endlos langer Putin-Tisch, auf dem ein Spielzeugpanzer seine Runde dreht: Es sind eindrucksvolle Bilder, die Oliver Frljic gemeinsam mit Igor Pauška (Bühne) und Maja Mirkovic (Kostüme) für seine Adaption des Dostojewski-Romans «Schuld und Sühne» ausbaldowert hat. Die Frage...
So viel Kontroverse wie in diesem Sommer gab’s bei Salzburger Festspielen schon lange nicht mehr. Doch diesmal war es keine radikale Inszenierung, die für hitzige Debatten sorgte; kein Theaterskandal, nirgends. Es war vielmehr die politische Haltung der Festspiele selbst, die in der Kritik stand. Umstritten war einerseits das Engagement des griechisch-russischen...