Die Kunst der Fuge

Christoph Klimke nach Pasolini «Die nackten Füße»

Ein junger Mann von engelhafter Schönheit bricht in die gediegene Langeweile einer Mailänder Industriellenfamilie, bringt erotische Erleuchtung und hinterlässt Chaos und Wahnsinn. Nacheinander lassen sich die Familienmitglieder mitsamt dem Dienstmädchen von dem mysteriösen Gast faszinieren und verführen, der so plötzlich wie er gekommen ist auch wieder verschwindet. Bei den Zurückgelassenen bewirkt diese Begegnung mit dem durch Sexualität vermittelten radikal Anderen tiefgreifende und nachhaltige Wandlungsprozesse.

Die herrschende Ordnung gerät aus den Fugen, irreversibel und mit fatalen Folgen für jeden einzelnen. Pier Paolo Pasolinis Film «Teorema» (Theorem = Lehrsatz) wurde bei der Filmbiennale von Venedig 1968 zum Skandal. Er provozierte wütende Kritik: von Kirche und Konservativen wegen des alle Grenzen sprengenden Konzepts einer sakralen Sexualität, von der Linken, die den Film als reaktionär und mystizistisch brandmarkte. 

 

«Was passiert, wenn ein junger Gott eine bürgerliche Familie besucht?», ist Pasolinis Ausgangsfrage, und er selbst gibt zur Antwort: «Der Besuch sprengt alles, was die Bürger über sich wissen, in die Luft, dieser Gast ist gekommen, um zu zerstören. Seine ...

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Theater heute August/September 2005
Rubrik: Chronik, Seite 67
von Sabine Heymann

Vergriffen
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