Die Erfindung des Stahlseils
Die interessanteste Figur in diesem Stück heißt «Ich» (Alrun Hofert) und ist schwer greifbar. Es handelt sich um ein Atom oder Molekül, irgendein winziges Stück Materie, das immer schon da war und im Lauf der Jahrtausende so einiges mitgemacht hat. So eine Kontinentalverschiebung etwa ist ja keine Kleinigkeit. In jüngster Vergangenheit hielt es sich im Körper eines Kindes auf und geriet mit diesem auf eine heiße Herdplatte: «Ich weiß nicht, was ich genau an diesem Tag in ausgerechnet einer dieser Fingerspitzen machte.
Jedenfalls blieb ich an der Platte kleben, wurde weggewischt und landete mit dem bald grässlich stinkenden Lappen, der kein Wort sagte, auf der Deponie.»
Man kann dieses «Ich» als Mikro-Platzhalter für die gesamte Erdgeschichte oder das Leben selbst interpretieren – beziehungsweise für das, was «nach dem Sturm» noch übrig sein wird von der Welt. Weiter treten auf: ein alter und ein junger Aktivist (Lukas Holzhausen und Nicolas Matthews), die ein Denkmal für den Afrikaforscher Hermann von Wissmann stürzen wollen; der hannoversche Ingenieur Wilhelm August Julius Albert (Matthews), der im 19. Jahrhundert das Stahlseil erfunden hat; eine junge Psychothera-
peutin ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Wolfgang Kralicek
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Die Zeit scheint einen Augenblick stillzustehen im rasanten Lauf der Ereignisse: wenn Sylvana Krappatsch als Annette aus ihrem Schatten heraustritt, ihm sachte zuwinkt, dann mit kleinen, aber kräftigen Flatterbewegungen abzuheben, ja, einen winzigen Moment über dem Boden zu schweben scheint, als ziehe sie eine unsichtbare Hand am Schlafittchen nach oben – um sie...
Vielleicht wäre der Sache gedient, wenn die Menschen ganz einfach Bäume würden? In diese Richtung jedenfalls geht der Wunsch von Pinoc -chio, wenn die blaue Fee ihm einen freihält, und auch Meister Gepetto scheint sich ganz wohl -zufühlen als Pinie, in die er sich nach seinem menschlichen Ableben (in Abweichung zum Vorbild von Carlo Collodi) verwandelt hat. «Sieht...