Die äußere und die innere Bedrohung
Das Andere, das Fremde – natürlich: Sie. Jana Schulz ist Alboury, Bernard-Marie Koltès’ «Schwarzer». Sie dominiert, aufgeladen mit allem Möglichen des Unmöglichen, Offenen, Rätselhaften, aus dem Hintergrund die Szene. Wenn sie hervorkommt aus dem Dunkel des kahlen Gestrüpps aus Schläuchen und Kabeln, die Schlingpflanzen gleichen, und unters Licht der acht Scheinwerfer-Bäume tritt, ist es so, als täte sie alles zum ersten Mal und doch seit jeher.
Nur Lallen und Stammeln ist von ihrem Alboury zunächst zu hören, begleitet von einem motorenhaften Rattern und nach Moll hin vibrierenden Cello (der Musiker Matthias Herrmann). Alboury wirft sich zu Boden und bestäubt sich mehlig weiß: Blackfacing verkehrt herum. Der «Schwarze», der eine androgyn knabenhafte Weiße ist, pudert sich hell.
Zwei kaputte Typen sitzen derweil auf der schäbig kargen, von einem Ventilator durchwehten vorderen Bühne (Fabian Wendling) ungerührt daneben, breitbeinig hingefläzt Horn, hibbelig Cal – und trinken scharfes Zeug aus dem Minikühlschrank, wie es europäische Kolonialherren eben tun in heißen Ländern.
Alboury wagt sich aufs feindliche Terrain («einer lebenden Ziege in der Höhle des Löwen soll man nicht ...
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Theater heute Juli 2017
Rubrik: Aufführungen, Seite 21
von Andreas Wilink
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