Der Weg des Westens
Wer hätte gedacht, dass das zivilisatorische Erfolgsprojekt, in dem für manche schon vor 30 Jahren das Ende der Geschichte erreicht war, so schnell in Gefahr sein würde, sich selbst zu zerlegen? Der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug westlichen Lebensstils, individueller Freiheit und liberaler Demokratie hat offenbar mehr Sollbruchstellen als gedacht, die unter Druck auch erstaunlich schnell nachgeben.
Dabei sollte man diesen guten alten Westen, nur weil er gerade erkennbar bröckelt, auf keinen Fall verklären.
Konstantin Küspert nimmt sich historische oder zeitgenössische Webfehler in unserer politischen Ordnung mit vergifteter Freundlichkeit zur Brust: In jeder seiner 22 Kurz- und Kürzest-Szenen legt er westlichem Spitzenpersonal auf seinem langen Marsch durch Geschichte und Kultur nett den Arm über die Schulter, um dann langsam zuzudrücken. Küsperts «Der Westen» gräbt tief in der europäischen Geschichte, streift ein paar tatsächliche oder Beinahe-Katastrophen der angeblich hochzivilisierten Welt, dreht und wendet die Errungenschaften unserer Lebensformen, betrachtet Gründungs- und Endzeitmythen, besucht eine reichlich abgewrackte Freiheitsstatue, lässt Helden der Popkultur – ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Mülheimer Stücke, Seite 48
von Franz Wille
Über zwei Etagen geht das neue Banner an der Halle der Leipziger Spinnerei: «Wir sind da!» Nach jahrelanger Suche nach geeigneten neuen Räumen und einer halben Spielzeit in verschiedenen Interims hat das Leipziger Freie-Szene-Zentrum Lofft nun endlich einen neuen Ort gefunden und befindet sich in illustrer Gesellschaft: Auf der Spinnerei gibt es nicht nur große...
Friedrich Schiller hat sein eigenes Stück in der Luft zerrissen. In seiner Selbstrezension schon kurz nach der Uraufführung 1781 in Mannheim wird die dramatische Konstruktion mitleidlos zerrupft. Die Figuren seien nicht «nach der Natur» gezeichnet, sondern nach den Lektüren des Verfassers. Er habe die Menschen «überhüpft», monströs einseitige Charaktere entworfen...
Bei den letzten Salzburger Festspielen sprang Philipp Hochmair kurzfristig als Jedermann für den erkrankten Tobias Moretti ein und begeisterte die Zuschauer auf dem Domplatz. Seine Art, den jovial-arroganten, am Ende tief einsamen reichen Mann im Sterben zu geben, gefiel – und doch wusste man: Da war mehr als dieser Mainstream.
Diese Figur war Hochmair, der sie...
