Der Taliban in uns

Bettina Erasmy «Supernova» (U, Kammerspiele)

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Sie bewegt sich in einer Welt untergründig bebender Grenzgänger, gibt ihren Figuren
allerdings einen derart zurückhaltenden Ton mit auf den Weg, dass man meint, sie habe ein Schlachtengemälde zeichnen wollen, sich dann aber doch für ein Stillleben entschieden. Eines zumindest begreift man: Bettina Erasmys Welt ist nicht zuletzt deshalb leicht entzündlich, weil der Taliban überall und also auch in uns allen lauert. Vor zwei Jahren suchte sie ihn mit «Mein Bruder Tom» unter anderem auf einem Schlachtfeld.

Jetzt findet sie ihn mitten in einer Familie, und es stellt sich die Frage, was da ansonsten noch ist.

Eltern natürlich, die zu jeder guten Familie gehören. In «Supernova» ist das eine Mutter, die als Apothekerin die Familie versorgt und im arbeitslosen Gatten, der als Rundfunksprecher wegen seiner Stimme ziemlich gefragt gewesen sein muss, einen braven Hausmann hat. Die beiden sind noch gut zu fassen. Bereits die stumme Tochter aber ist eher eine figurative
Behauptung, während der Sohn der Familie ein gewaltbereiter Ego-Shooter sein soll, sich mit seiner emotionalen Ausstattung allerdings genau so im Ungefähren verliert wie eine mysteriöse Frau, die eigentlich eine Prostituierte ...

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Theater heute Januar 2011
Rubrik: Chronik, Seite 50
von Jürgen Berger

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