Der prophetische Blick

Die Theaterleiterin und Kuratorin Carena Schlewitt hat schon zu DDR-Zeiten für eine freie Gruppe gekämpft – und setzt sich heute an der Kaserne Basel für die unterfinanzerte freie Szene ein. Ein Porträt

Theater heute - Logo

Schwer zu sagen, ob es sich bei dem virtuellen Star, der da hingebungsvoll über die Bühne der Kaserne Basel rockt, eher um eine Raubkopie von Robbie Williams oder um einen Michael-Jackson-Reinkarnationsversuch handelt. In jedem Fall ist der elastische junge Mann nicht umsonst mit dem entsprechenden Namen «Chris Crocker» gestraft: Das Regie-Trio Victor Moser, Elia Rediger und Fabian Chiquet bespiegelt in seiner internetkritischen Masterarbeit beim Basler Nachwuchsfestival «Treibstoff» den Warholschen 15-Minuten-Ruhm im Youtube-Zeitalter.

Um in der wilden Stilmixtur aus antiker Tragödie, Pop Art und Saturday Night Fever potenzielle Vorboten eines neuen Theatervokabulars zu entdecken, bedarf es schon eines sehr genauen, um nicht zu sagen: prophetischen Auges.
 

Die Kasernen-Chefin Carena Schlewitt hat es. Im Gespräch mit ihr entsteht schnell das Gefühl, einem der unzynischeren Menschen des Kultur­business gegenüber zu sitzen. Schlewitts professio­nelle Neugier ist dabei von einer komplett naivitätsfreien Art, und trotz allabendlichen Kulturkonsums sind keinerlei Scheuklappen erkennbar. Wenn sich «Chris Crockers» Ästhetik ausdifferenziere, sagt Schlewitt in der kaserneneigenen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Januar 2010
Rubrik: Akteure, Seite 42
von Christine Wahl

Vergriffen
Weitere Beiträge
An der Wand

An was ich mich an meisten erinnere, wenn wir «Onkel Wanja» spielen, das sind die Wiederaufnahmeproben vor genau einem Jahr im Haus der Berliner Festspiele. Über ein halbes Jahr hatten wir das Stück nicht gespielt, Gosch hatte gerade «Die Möwe» herausgebracht, und sein Gesundheits­zustand war deutlich schlechter geworden. Mein Respekt, wieder vor seinen Augen zu...

Die Rückkehr der vierten Wand

Der Schriftsteller und Alkoholiker Beverly Weston ordnet letzte Dinge. Bei Michael König schaukelt er dazu behaglich ein gut gefülltes Whiskyglas in den Händen, umschreitet mehrfach den zerschlissenen Ledersessel vor dem Kamin und wirft noch einen kopfschüttelnden Blick auf zwei, drei Manuskriptblätter, bevor er sie versonnen den Flammen opfert. Der jungen...

Der Hass blüht prächtig

Wer sich selbst schon einmal in Erwartung eines nahenden Regionalexpress-Zugs (so heißt die mit Abstand langsamste Beförderungstechnik der Bundesbahn) durch sämtliche Menus eines DB-Fahrautomaten geklickt hat, nur um kurz vor dem ersehnten Fahrschein mit einem scheinheiligen Systemabbruch belohnt zu werden («Der Vorgang wurde auf ihren Wunsch abgebrochen»), der...