Der Briefbomber

Der Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und Siegfried Unseld ist unglaublich, aber wahr.

Später nannte es Siegfried Unseld ein «ausgesprochenes Tief». Eigentlich stand alles bestens zwischen Autor und Verlag. Thomas Bernhard kam nach wochenlangen Briefwechseln und abschließendem Telegrammaustausch mal wieder nach Frankfurt, seinen Verleger besuchen. Er brauchte ein neues Darlehen, 20.000 DM, nicht wenig Geld Mitte 1971. Man sah die Abrechnungen durch, dann gab es noch ein weiteres zinsloses Darlehen von 15.

000 Mark aus dem Vorjahr, diverse Vorschüsse waren zu verrechnen, die Uraufführung eines Stücks bei den Salzburger Festspielen, «Der Ignorant und der Wahnsinnige», zeichnete sich ab. Man sprach mit den Lektoren, schließlich goss man das Vereinbarte in fünf Verträge, Bernhard wollte noch ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall von Unselds Tod. Auch das wurde gewährt. Endlich wurde alles vereinbart, unterschrieben, und Unseld lehnte sich innerlich zurück: «Damit ist die kontraktliche Situation sicherlich bis Mitte 1972 geregelt.»

Am nächsten Morgen, vor seiner Abreise, stand Bernhard wieder in der Tür, verlangte von Unseld den Salzburg-Vertrag, riss ihn ihm aus den Händen und strich mit Kugelschreiber den Paragraf durch, der dem Verlag seinen ...

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Theater heute Februar 2010
Rubrik: Buch, Seite 26
von Franz Wille

Vergriffen
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