Ätsch!
Othello als einer, der steckenblieb in Descartes’ erster Meditation: In seinem Denken findet er keine Gewissheit. Es bleibt nur der Betrüger-Gott, der ihn in allem, was er wahrnimmt, täuscht. Und Jago will das Abbild sein dieses Gotts des Bösen, bekennt er in seinem Glaubensbekenntnis, das Arrigo Boito für Verdis Oper schrieb.
So war es wohl gedacht, wie man den Descartes- und Boito-Zitaten im Programmheft und in der Textfassung entnehmen kann.
Doch was man in David Böschs Inszenierung auf der Bochumer Bühne sieht, ist anders: Ein sanft durch den dunklen Weltenraum schwebendes Taschentuch, die Jukebox am Bühnenrand spielt Elvis Presleys «Can’t help falling in love». Cassio kämpft ungeschickt mit den Tücken eines Megaphons und alarmiert die venezianischen Streitkräfte und ihren General Othello zum Kampf gegen die Türken. Emilia bietet Desdemona Rollmöpse an.
Ironisch gebrochene Sentimentalisierung des Liebespaares und aktualisierende Scherze überfluten das gedankliche Gerüst der Inszenierung. Verwendet wird Frank-Patrick Steckels kantig und gegenwartsnah formulierende Übersetzung, aber in einer eigenen Fassung, die sich auch an Verdis Oper orientiert. Das Personal wird auf sechs ...
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Theater heute April 2014
Rubrik: Chronik Bochum Schauspielhaus, Seite 54
von Gerhard Preußer
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