Ändert es!
«Ich mache keinen Krieg mehr. Es ist gut, dass ich hierhergekommen bin, zu einer Stelle der Welt, wo ich nachdenken konnte, drei Minuten lang. Jetzt können wir weggehn.» Länger braucht Bertolt Brechts Erster-Weltkriegssoldat Fatzer nicht, um sich gegen das Töten, fürs Desertieren zu entscheiden. Wesentlich länger dauerte es auf der Bühne der Mülheimer Stadthalle auch nicht, bis er und seine drei Kameraden im weißgrauen, zotteligen Flecktarn-Pelz von der Westfront in ihr Mülheimer Versteck gestapft sind. Dort beginnt der zweite Stellungskrieg: der um die «richtige» Moral.
Regisseur Philipp Preuss setzt in seiner Inszenierung «Fragment», die den Auftakt zu einem «Fatzer»-Theaterparcours bildet, stark auf bühnenfüllende Livevideos (Konny Keller): Aus der Trommel einer Waschmaschine heraus gefilmt entwickeln sich hypnotisierende Licht-Wirbel, interpretierbar als Teufelskreis; in der Vogelperspektive werden die Deserteure in ihrem Streit um Lust- versus Realitätsprinzip zu eiskristallartigen Schwarz-weiß-Chiffren; Negativ-Porträts lassen sie als Tote auf Abruf erscheinen. Rupert J. Seidl geleitet als müder philosophischer Kommentator mit XXL-Puschelmikrofon durch den ersten Teil des ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Chronik, Seite 61
von Cornelia Fiedler
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