Zum Verrücktwerden
Bingo. Einer hat immer Glück. Zumindest im Spiel. Dafür scheitern sie in der Liebe hier eigentlich alle. Schließlich sind wir bei Tschechow und der Unmöglichkeit des Lebensglücks. Semjon liebt Mascha. Mascha liebt Kostja. Kostja liebt Nina. Nina liebt Trigorin. Der liebt ein bisschen ihre Jugend und auch ein bisschen die Arkadina, vor allem aber sich selbst. Es ist zum Verrücktwerden.
So viel Liebesleid.
Und dazu auch noch die allgemeine Perspektivlosigkeit auf dem Land und die Dekadenz der Stadtgesellschaft, die gelegentlich auf Besuch in die Provinz kommt, wo eine stachlige Pflanze baumgroß über der Bühne liegt. Laut Programmheft soll das eine Distel sein, aber da hat der Bühnenbildner Volker Hintermeier wohl nicht so genau hingeschaut. Das von ihm entworfene Gewächs ähnelt doch sehr einer Karde, und die gehören gerade nicht zu den Distelgewächsen. Den Unterschied hätte der Mediziner Tschechow vermutlich erkannt, schließlich ist die wilde Karde eine Heilpflanze. Aber hier ist keine Heilung angesagt.
Jede von Tschechows Figuren suhlt sich in ihren emotionalen Verletzungen, und im Stuttgarter Schauspielhaus versucht Martin Laberenz daraus eine Revue der Gescheiterten zu gestalten. ...
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Theater heute November 2015
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Kristin Becker
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