Wissen, wovon man sich trennt
Hat man schon einmal eine Nora gesehen, die derart souverän von heute auf das merklich in die Jahre gekommene Emanzipationsdrama blickt und sich dabei trotzdem in aller Lässigkeit vor den Verdiensten des alten Ibsen verneigt? Die einerseits so zielsicher aufspürt, was an der «Puppenheim»-Story inzwischen wirklich von gestern ist und andererseits mit derart schonungsfreiem Witz auf die Verblendungszusammenhänge zeigt, in denen sich die Zeitgenossinnen anno 2024 immer noch befinden oder aber neu eingerichtet haben? So eine Nora spielt Anja Schneider in Sivan Ben Yishais Henrik-Ibsen-Revi
sion «Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert» in der Regie von Anica Tomic am Deutschen Theater Berlin – und zwar in jeder Hinsicht zum Niederknien.
Beim Gespräch in einem Neuköllner Café erinnert sich die Schauspie -lerin an ihre erste und vor diesem Hintergrund durchaus überraschende Reaktion, als sie vom Inszenierungsvorhaben des Ben-Yishai-Stückes erfuhr. «Ich dachte: Na super, jetzt bin ich schon mal als Nora besetzt – und dann darf ich sie nicht spielen», lacht sie. Denn Schneider ist, ganz buchstäblich, eine Charakter-Darstellerin. Darin, Figuren zu entwerfen und «auszufüllen mit all ...
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Theater heute Juli 2024
Rubrik: Akteure, Seite 32
von Christine Wahl
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