Wind der Wahrheit
Bei Stücken ist es wie bei Menschen. Manche altern gut. Anderen sieht man an, dass sie aus einer Zeit mit anderen gesellschaftlichen Kämpfen kommen und keinen rechten Grip mehr in der Gegenwart finden – zumindest, wenn man sie so pur und unbehauen im leeren Raum (und später auch in Wind und Regen) stehen lässt wie Regisseur Johannes Holmen Dahl im Münchner Cuvilliéstheater das Familiendrama seines norwegischen Landsmanns Henrik Ibsen «Die Wildente».
Entstanden 1884, kurz nach den großen emanzipatorischen Aufbrüchen mit «Nora.
Ein Puppenheim» (1879) und «Ein Volksfeind» (1882) ist das Stück mit dem Tiersymbol im Titel heute kein Selbstläufer mehr, stellt es doch seine Frauenfiguren wieder wahlweise als tapfere Pragmatikerinnen oder suizidale Teenagerin hinter die detailreich ausgemalten narzisstischen Krisen der Männer zurück. Während die sich ausgiebig rechtfertigen und bemitleiden, managen die Frauen den Alltag und das Geschäftliche, verzeihen und verzehren sich mehr oder weniger stillschweigend bis zur Selbstauslöschung.
Das Unheil angerichtet haben zwei selbstgerechte Silberrücken, beide in denselben unternehmerischen Skandal verstrickt, bei dem illegal Wald abgeholzt wurde und ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute Dezember 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 10
von Silvia Stammen
Eigentlich sollte man grundsätzlich jeden Abend ins Theater gehen – als Kritiker:in sowieso –, aber wenn dort um 20:30 Uhr der Blick ins Handy verspricht, dass der Finanzminister gerade gefeuert wurde und die Regierung am Ende ist, während aus der Ukraine nur schlechte Nachrichten kommen und der nächste amerikanische Präsident seit dem frühen Morgen Donald Trump...
Ein sehr spezielles Welcome: Beim Eintritt in den Empfangsraum des Hauses am Waldsee, einem so renommierten wie abgelegenen Ausstellungshaus mit Park und Seezugang im waldigen Berlin-Zehlendorf, sitzt abgewandt von den Besucher:innen eine lebensgroße Teenager-Puppe auf einem Podest, das weißblonde Haar zurückgeworfen, den Blick auf einen zerknitterten Zettel in der...
Eine Künstlerin allein in der Wüste, eine Mutter im Multitasking-Kollaps mit Happening-Happy-End, ein Mann mit der ganzen Last seiner Kindheit auf den Schultern – drei starke Einzelkämpferpositionen auf der 8. Ausgabe des Rodeo-Festivals für Tanz, Theater und Performance, die im vergangenen Oktober an verschiedenen Spielorten in München Zeichen setzte für...