Von Machtfülle und Frauenleid
Da steht sie also, die große Oscar-Nominierte, deren Name nun Glamour und Gänsehaut verspricht, in gewaltig wallender Blondperücke. Obwohl diese Worte nicht zu Sandra Hüller passen, die ihren internationalen Ruhm doch durch ihre zurückgenommen-durchsichtige, eher anti-starhafte Schauspielkunst erlangt hat. Gerade hat sie eine Tänzerin wie ein Kind auf die Bühne der Jahrhunderthalle Bochum getragen. Ganz mit Erde bedeckt ist die Fläche, Mutterboden, in den sogleich ein Korn gepflanzt wird, «Teach me how to grow» singt sie mit heller Stimme und leichtfüßiger Melancholie.
An der Seite stehen Bäume in Kübeln und Straßenlaternen, darüber eine Breitbandleinwand: Lebensweg und Schlachtfeld einer Frau, deren existientielle Verlorenheit wohl niemand anrührender erzählen könnte als Sandra Hüller in Großaufnahme, die Wut und Trauer in einem Lippenzittern unterbringt.
In vier Kapitel und 26 Songs der britischen Pop-Künstlerin PJ Harvey hat Ivo van Hove seine Eröffnungsarbeit «I want absolute beauty» eingeteilt, inszeniert jeden einzeln mit großen Bildern. Auf dem Screen erscheinen die prächtigen Klippen des südenglischen Dorset, dort, wo PJ Harvey aufwuchs, doch der Song «Piano» erzählt von ...
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Theater heute November 2024
Rubrik: Festivals, Seite 32
von Dorothea Marcus
Die Leinwände an den Seitenwänden und der Rückwand bewegen sich langsam nach oben. Irgendwann sind Gebäude zu sehen, zur Bühne hin mit Arkaden bestückt, die nicht nur in der griechischen Sommerhitze für Schatten, eine kühlende Luftzirkulation und die Möglichkeit eines offen demokratischen Gedankenaustausches sorgen können.
Die Atmosphäre von Thea Hoffmann-Axthelms...
Die Spielzeit hatte kaum begonnen, schon liefen wir einem Apostel der FROHEN BOTSCHAFT in die Arme. Als engagierte Dramaturgin am Theater hatte sie im Sommer gleich mehrere internationale Theaterfestivals besucht und war mit positiver Energie vollgepumpt wie ein:e Kraftsportler:in aus love lies bleeding: Fast 52 Prozent der Menschen in Europa glauben noch an die...
Vielleicht ist es der gelegentliche Schneesturm, der über die Bühne zieht, verwaschen, grau und sichtbar nasskalt. Vielleicht ist es das Akkor -deon, das manchmal eine Tango-Melodie anstimmt. Vielleicht ist es das einsame Bild des in die Jahre gekommenen Wohnwagens, der am hinteren Rand der Bühne steht. Und aus dem, neben Klarinettenklängen, jenes Akkordeon ertönt...