Vier für eine
Einar Schleef ist ein Kohlkopf. Zärtlich wird er als Kriegsgemüse von vier Frauen mit Kopftüchern und unzähligen Kleiderschichten im Arm gewiegt, während sie davon berichten, wie eben jener «Filius» in den Kriegswirren zur Welt kommt und beim Fliegeralarm aus dem Kinderwagen fällt. Ein holpriger Start ins Leben eines späteren Theatergroßen, der nicht nur immer mal wieder aus rollenden Fahrzeugen stürzte, sondern zwischen Ostjugend, Republikflucht, Westkarriere und wiedervereinigter Provokation auch nie ganz in eine glatte Geschichtsschreibung passen wollte.
Diese historische Unmöglichkeit hatte er vielleicht von seiner Mutter geerbt, vielleicht aber auch nur auf sie projiziert, als er sie als gehetzte Ich-Stimme in seinem zweiteiligen Prosawerk «Gertrud» sprechen ließ. In einem zwingenden Sprachsog erzählt sich darin ein privates deutsches Jahrhundert zwischen Regimen, Kriegen, Lieben und einem oft detailliert hässlichen Alltag.
Statt Schleefs eigene Theaterversion zu nutzen, hat der Dramaturg Jens Groß nun aus dem Konvolut an tagebuchartigen Einträgen, Briefen und Erinnerungsströmen eine aufregende Partitur gebaut, die Armin Petras am Frankfurter Schauspiel als traumwandlerischen ...
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