Steine, Kacheln, Scherben
Grüngraue Kachelstücke, grobe Abrisskanten, Staub. Sorgsam werden die Brocken auf dem Tisch arrangiert, nummeriert und katalogisiert. Sie sind scheinbar profan, könnten von jedem beliebigen Kachelofen eines Gründerzeithauses stammen. Doch sie gehören zu den Überresten der jüdischen Synagoge in Frankfurt am Main, die während der Novemberpogrome 1938 erst verwüstet und dann angezündet wurde. 1987 wurden bei Aushubarbeiten Reste und Fundamente von 19 Häusern der Judengasse, des ältesten jüdischen Ghettos Deutschlands, und der Börneplatz-Synagoge freigelegt.
Ein Großteil der Grabungsfunde lagerte bis 2020 in Archivkartons im Depot des Archäologischen Museums – auch Karton Nummer 08, der die Blattkacheln des Ofens beherbergte.
An dieser Stelle kam Helgard Haug von Rimini Protokoll ins Spiel: Das Künstlerhaus Mousonturm fragte sie, ob sie den bevorstehenden Prozess der Katalogisierung der Fundstücke künstlerisch begleiten könne. «Solche Anfragen sind oft sehr aufregend», findet Haug, wenn es darum gehe, «umfangreichem und erstmal sprödem Material eine Heutigkeit, eine Sinnlichkeit zu geben, damit eine Spielform zu entwickeln.» Zwei Jahre später heißt das Projekt «Unboxing Past» und ...
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Theater heute 6 2022
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Esther Boldt
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