Sportliche Zeilensprünge
Da steht ein junger Mann mit Bärtchen in einem kleinen Raum, der trotz seiner Transparenz – er ist aus dunklen Gazevorhängen gebildet – klaustrophobisch anmutet und als einziges Möbelstück einen schwarzen Stuhl enthält. Keinen Schrank. Der Mann mit Bärtchen heißt Wolf. Er raucht. Er trägt einen konservativen Anzug, eine dezent gestreifte Krawatte und einen Trenchcoat; sein Handy hat einen sehr schönen Klingelton. Wolf telefoniert mit seiner Frau/Freundin (einmal schmatzt er ein Küsschen aufs Handy) und mit einem Reisebüro, um einen Flug zu buchen.
Bei den Zeilen «nein ich möchte nicht / am fenster sitzen gang / ich bevorzuge den gang» wird er laut; anscheinend hat Wolf schwache Nerven. Und einmal telefoniert er auch mit seinem Vater, aber dafür benutzt er eine Zigarettenschachtel. Denn Wolfs Vater ist tot, man kann nicht wirklich mit ihm telefonieren. Das Vatertelefonat ist Theater.
Das Theater des Albert Ostermaier hat gewiss seine Verdienste. Seine Abstraktionsleistung und seine Fähigkeit, mit einem gewissen Chic zeitgeistige Themen und Sujets in eine geschmeidige Sprache zu bannen, übersteigt indes bei weitem seine szenische und dramaturgische Fantasie. Das Monodrama ...
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