Schwirren und Beben
Wenige Produktionen klingen so stark und so lange nach wie die Salzburger «Salome». Dass die Energien und Konturen der Musik geradezu sichtbar wurden, hat wesentlich mit dem labyrinthisch offenen Schauspiel zu tun, das Romeo Castellucci in der Felsenreitschule für Strauss erfand. Überhaupt entpuppt sich die faszinierend rätselhafte Bühnensprache des aus der Emilia-Romagna stammenden Querdenkers mehr und mehr als wirkmächtige Neuformulierung des Gesamtkunstwerk-Gedankens.
Versuch, die Philosophie des Castellucci-Kosmos zu skizzieren, in fünf Schlagworten und acht Schlaglichtern auf sein Musiktheater – vom Brüsseler «Parsifal» (2011) bis zum Mozart-«Requiem» in Aix (2019)
Ursprünge | Schon mit den ersten Arbeiten lief er Sturm gegen ein Theater der Repräsentation. Ein Theater, das die Bühne als Spiegel des Wirklichen begreift. Das Darsteller, Tänzer, Sänger als Akteure einsetzt, die reale Beziehungen simulieren, in abbildhaften Räumen. Romeo Castellucci war Anfang 20, als er 1981 mit seiner Schwester Claudia und der Schauspielerin Chiara Guidi die Künstlergruppe Socìetas Raffaelo Sanzio gründete. Das Ziel: zu Formen eines Spiels zurückzufinden, in dem Wort und Geste, Gedanke und ...
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Opernwelt Jahrbuch 2019
Rubrik: Aufführung, Regisseur, Bühnenbildner des Jahres, Seite 26
von Albrecht Thiemann
Lange hat sich Manfred Eicher, Gründer und Chef des renommierten Münchner ECM-Labels, vehement dagegen gewehrt, CDs aus seinem Haus im Netz zugänglich zu machen. Weil er sie als Gesamtkunstwerke aus Klang, visueller Gestaltung und Text versteht. Vor zwei Jahren gab er das Prinzip auf – ihm war klar geworden, dass die Tage der physischen Tonträger gezählt sind. Das...
Wagner: «Parsifal»
Théâtre Royal de la Monnaie, Brüssel (2011)
Der Wald steht schwarz und schweiget keineswegs. Kleine Lichtschneisen durchzittern sein dichtes Laub, geben uns ein Gefühl für seine prächtigen Baumkronen. Aus dem Geäst kommen Fanfaren und Stimmen. Menschen? Naturwesen eher, bemoost am ganzen Körper oder mit Blättern überzogen. Oder doch Soldaten...
Auch der Opernbetrieb ist auf das Prinzip Hoffnung gebaut. Eine ganz besondere Hoffnung, die gerade in Norwegen gehegt wird, nämlich eine Stimme wie die von Kirsten Flagstad zu finden, schien sich zu erfüllen, als die Sopranistin Lise Davidsen 2015 bei der Queen Sonja International Music Competition in Oslo das Publikum, wie die Jurorin Sofie de Lint berichtete, in...