Redeströme schriller Vögel
Über viele Jahre konnte die rechtsradikale Terror -zelle NSU Mitbürger:innen ausländischer Herkunft ermorden, ohne überführt zu werden. Grund dafür: Der Verfassungsschutz ermittelte beharrlich in die falsche Richtung. Einen rechtsextremen Hintergrund der Taten schloss er aus und versteifte sich auf organisierte ausländische Kriminalität. Aufklärung über diese fatalen Ermittlungsfehler sollte der NSU-Prozess bringen. Doch über Hintermänner und Hintergründe gab das fünfjährige Verfahren kaum Aufschluss, auch das Leid der Familien spielte keine Rolle.
Stattdessen konzentrierte man sich auf die Hauptangeklagten. In Öffentlichkeit und Medien wurde der quälend zähe Prozess fassungslos und wü -tend wahrgenommen.
In Kathrin Rögglas neuestem recherchebasierten Auftragswerk «Verfahren» am Saarländischen Staatstheater rückt nun diese Öffentlichkeit in den Fokus, die Beobachter:innen des Prozesses, «in einer Situation, die geprägt ist von Spaltung, Instanzenkritik, Hatespeech gegen die da oben», so die Autorin in einem dem Stück vorangestellten Kommentar. Unterschiedlichste Erwartungen und die damit einhergehenden ideologischen Standpunkte legt sie sieben typisierten Figuren in den Mund, mal ...
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Theater heute 6 2022
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Natalie Bloch
Grüngraue Kachelstücke, grobe Abrisskanten, Staub. Sorgsam werden die Brocken auf dem Tisch arrangiert, nummeriert und katalogisiert. Sie sind scheinbar profan, könnten von jedem beliebigen Kachelofen eines Gründerzeithauses stammen. Doch sie gehören zu den Überresten der jüdischen Synagoge in Frankfurt am Main, die während der Novemberpogrome 1938 erst verwüstet...
«Jedenfalls, das Ende war ziemlich misslungen», stellt die Göttin Nummer eins fest. «Der Anfang ja auch», gibt ihre Kollegin, die Allmächtige Nummer zwei, zu bedenken. Und Nummer drei räumt freimütig ein, sich an den Anfang «gar nicht mehr erinnern» zu können. Daran, dass sich – kaum, dass die Erlauchten es mal wieder über sich gebracht haben, das erleuch -tete...
Die Holländische Straße in Kassel ist nicht unbedingt das, was man eine schicke Flaniermeile nennen würde. Prosaische Nachkriegsarchitektur dominiert, die vorherrschende Farbe ist mattes Grau, Geschäfte und Wohnhäuser reihen sich schmucklos aneinander. Eine typische Ausfallschneise eben, ohne Flair, ohne Charme.
Im April 2006 erlangte diese Straße traurige...