Oben und unten
Angeblich habe sich Bertolt Brecht bei der Konzeption des Epischen Theaters vom antinaturalistischen Gestus der Peking-Oper inspirieren lassen. Yida Guo, in China geborener aber seit längerem in Hamburg lebender Regisseur, nimmt dieses Gerücht im Programmheft von «Der gute Mensch von Sezuan» in der Werkstattbühne der Thalia-Außenstelle Gaußstraße auf, allerdings erwähnt er auch seinen esoterischen Gehalt. Im Grunde ist das aber auch nicht wichtig, weil der undogmatische Mix von Einflüssen den Regisseur viel stärker interessiert als diesen Einflüssen genau nachzuspüren.
Seine Inszenierung wirkt auf den ersten Blick werktreu, mit Elementen wie dem klassischen Brecht-Vorhang, mit V-Effekt und Publikumsansprache. Aber gleichzeitig leistet sie sich einen Zug ins Exotische, mit aus europäischer Perspektive «chinesisch» wirkenden Choreografien, die einen Waren- und Geldaustausch andeuten. Was an diesen Choreografien aber tatsächlich authentische Übernahme einer fremden Theaterkultur ist, bleibt unklar: Ein Spezialist für die Peking-Oper sei er jedenfalls nicht, erklärt Yida Guo, sein Zugriff sei stattdessen der des Epischen Theaters, in dem der Schauspieler die «soziale Geste der Figur» ...
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Theater heute Juni 2025
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Falk Schreiber
Pläne der Redaktion
Wenn der Mensch die Natur bezwingen will, müssen die Körper einiges aushalten: Florentina Holzingers «A Year without Summer» anno 1816, als Frankenstein erdacht wurde, in der Berliner Volksbühne
Carl Hegemann,
der Dramaturg, Intendant, Inspirator, Philosoph, war immer für eine Überraschung gut. Leider auch für eine letzte. Ein Nachruf
Clemens J....
Mit hochgeschlossenem Trenchcoat stand sie auf der Trittleiter, die nirgendwo andockte, die Hände trotzig in den Manteltaschen, der Mund mit Tape verklebt: Hippolyta im Berner «Sommernachtstraum» Anfang 2022. Eine vergewaltigte Frau. Eine Amazone, die aus der Verwundung Kampfkraft zieht. «Wir Amazonen schneiden ab die Hälfte unsrer Weiblichkeit», sagte sie zu...
Alles ganz schön eng hier. Die Stuhlreihen für die Zuschauer, der Denkhorizont im Dorf, das Hundegeschirr, die Fluchtwegschluchten. Umhegt wird die Enge von Maschendrahtzaun, mindestens mannshoch, die Gittertüren scheppern im Geviert. Ein Land wie ein Zwinger, raus oder rein geht’s niemals unkontrolliert.
Andererseits: Alles ganz schön clean hier. Die beiden...
