Naivität ist Dummheit – und ein Selbstwiderspruch
Das Thema im sich erinnernden Kopfe hin und her wendend, ist mir schließlich eingefallen, dass ich mit einem meiner Irrtümer anfangen sollte. 1973 inszenierte Klaus Michael Grüber am (mitbestimmten) Schauspiel Frankfurt Brechts Frühwerk «Im Dickicht der Städte». Auf der großen Bühne hatte Eduardo Arroyo hunderte von Schuhen, ausgelatschten, aufschütten lassen. Am Rand standen abgestoßene Krankenbetten und Turngeräte und Figuren in abgetragenen Mänteln mit Hüten. Sie murmelten den Brechtschen Text, undeutlich, fand ich.
Die labyrinthische Geschichte von dem in die Riesenstadt Chicago verschlagenen Leihbibliotheks-Angestellten Garga und die seines unmotivierten Kampfes mit dem Chinesen Shlink, bei dem Gargas Schwester und auch Shlink schließlich draufgehen, schien mir nicht nachvollziehbar erzählt. Selbst Gargas Schlusssatz «Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit» kam mir nicht vernehmlich zu Ohren. Die waren trainiert darauf, in Sachen Brecht Text- und Textsinngetreues zu hören. So trug ich als Jury-Mitglied mit dazu bei, dass Grübers Bildertheater nicht beim nachfolgenden Berliner Theatertreffen gezeigt wurde.
In meiner Ablehnung der Grüberschen Inszenierung bestärkte ...
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