Nacht der Wölfe
Missmutig lümmelt der Gatte an der Zentralheizung. Gemessen an seiner Frau, die aus ihrer Eheödnis eine Art zwanghafte Betriebsamkeit herausholt, ihre roten Pumps immer wieder an- und ausziehen und den genervten Blick abwechselnd gen Gatte und Schnürboden richten muss, hat er sich in seiner Zerknirschung relativ friedlich eingerichtet. So kunstfertig wie Corinna Kirchhoff als Sybel und Wolfgang Michael als Jack in Albert Ostermaiers Märchenratespiel «Blaue Spiegel» dürfte tatsächlich kein real existierendes Ehepaar je geschwiegen haben.
Wobei es natürlich auch den wenigsten beschieden ist, ihr Beziehungsunglück in einem derart stylishen Nobelkubus auszudünsten, wie ihn der Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt ins Berliner Ensemble gebaut hat.
Ab auf die Couch
Weil die moderne Beziehungsphilosophie emotechnisch ausgeblutete Paare aber unglücklicherweise zur Ehetherapie nötigt, statt ihnen einfach den Abgang in entgegengesetzte Richtungen zu gönnen, versuchen es Sybel und Jack mit einem Psychocoach. Der heißt Heinz und kommt über dieses Niveau auch beruflich nicht hinaus. «Ich kann das nicht», verweigert sich der Gatte störrisch den von Heinz auferlegten Rollenspielhausaufgaben. «Du ...
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