Männer und Flaschen
Kurz vor der Premiere muss Richard III. doch noch überstürzt zum Friseur gelaufen sein. Auf den Probenfotos im Programmheft trägt er noch Seitenscheitel zum halblang glatten Haar – wie ein pummeliger Oscar Wilde, der zu lange in den Spiegel geschaut hat. Zum Burgtheater-Rosenkriegsfest erschien er dann allerdings mit kurzem, wildem Stoppelschnitt. So sehen kosmetische Verzweiflungstaten aus, wenn jeder weiß, dass irgendetwas nicht stimmt, aber niemand genau sagen kann, was. Manchmal kennt nicht einmal der Friseur die Antwort.
Shakespeares «Rosenkriege» sind ein stattlicher Vierspänner der politischen Dramatik. Der Aufstieg und Fall der York-Dynastie auf dem englischen Thron beginnt mit dem Tod Heinrichs V., des legendären Frankreich-Eroberers, der zum allgemeinen Unglück nur eine Leerstelle hinterlässt. Sein Sohn Heinrich VI. wird als Kind gekrönt und entwickelt auch in späteren Jahren mehr Lust am Studieren als am Regieren. Während in Frankreich Jeanne d’Arc den Engländern Burg um Burg wieder abnimmt und wackere Feldherrn niederringt, vertreibt man sich in London die Zeit mit Machtspielen und Hofintrigen. Das politische System, in seiner Legitimität nach unten zu den Lords und ...
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«In der Sonne Italiens werde ich die theoretische Unannehmbarkeit der Existenz vielleicht vergessen.» Mit existenzialistischer Emphase verlässt der Abiturient Gert seine kriegsverwitwete Mutter im Trümmerdeutschland anno 1948. Ins Schlepptau nimmt er seinen Gesinnungs-kameraden und Nietzsche-Leser Foss sowie zwei ebenso dekorative wie selbstfindungsförderliche...
Mit der Bildenden Kunst verhält es sich nicht anders als mit dem Theater. Im entscheidenden Augenblick ist auch sie davon abhängig, wann und wo sie gezeigt wird. Auch ihr Erfolg hängt wesentlich vom Kontext ab. Das gilt für einzelne Arbeiten oder Installationen ebenso wie für eine monografische Werkschau, wie sie jetzt in Halle an der Saale gezeigt wird: «Einar...