Kuckucksnest Kosovo
Die Pediküre kann warten. Die Unabhängigkeit nicht.» Der Regisseur maßregelt eine Schauspielerin, die den nächsten Tag mit Kosmetik beginnen will. «Ab neun Uhr wird geprobt, es geht um nationale Interessen!» Ein neues Theaterstück soll entstehen, aus Anlass der Unabhängigkeit des Kosovo. Urplötzlich brach der Auftrag über die staatliche, aber seit Monaten nicht bezahlte Truppe herein – per Bote, direkt aus dem Ministerium für Sport (und Kultur). Die Regierung will ein patriotisches Stück, das aber trotzdem «modern» sein soll.
Darin eingeschlossen eine Rede des Premierministers, die direkt auf der Bühne verlesen wird um das Epos würdig abzuschließen. Dann ist er frei, der Kosovo. Und die Kunst?
Der Regisseur setzt sich gegenüber dem Staatssekretär in Szene und träumt von Poesie, National- und europäischer Hymne. Er sieht die Risiken der Unternehmung, aber auch die Chancen: Und wenn es gefällt? Wenn sich dadurch Türen öffnen nach Europa oder gar bis an den Broadway? Das wäre wie ein Lotteriegewinn, ist doch der Kosovo, wie sie in Pristina gebetsmühlenartig wiederholen, das einzige Land der Region, das weiter einem Visumzwang für die EU unterworfen bleibt. Doch es dauert nicht lange, ...
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Theater heute März 2013
Rubrik: Ausland: Kosovo, Seite 42
von Thomas Hahn
Es beginnt mit einem Ende. Die letzten Töne einer festlichen Musik sind zu hören. Ein Tusch. Dann Applaus. Zwei Hände, Füße, dann der dazugehörige Mann schieben sich durch den Vorhang am hinteren Bühnenende. Nach und nach folgen ihm seine Mitspieler, dann stehen sie alle vor uns: drei Frauen, drei Männer. Gekleidet in Alltagsklamotten. Ein gefrorenes Lächeln auf...
Sieben tapfere Kritikerlein haben wieder einmal Wind und Wetter, der Bundesbahn
und manchem Stau getrotzt, um pünktlich für das 50. Theatertreffen (Jubiläum – Traraa, Traraaaa!) die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des Bemessungszeitraums (Februar 2012 bis Januar ’13) zu küren. Die zehn Unwiderstehlichen, in alphabetischer Reihenfolge:
«Disabled Theater» von...
«Minna von Barnhelm» ist gleichsam eine knappe (einen Tag währende) psychoanalytische Kur, die das sächsische Edelfräulein am widerstrebenden Major Tellheim praktiziert: Was hat es denn mit dessen Kriegs-Traumatisierungen wirklich auf sich, wie sehr ist er «verkrüppelt», ein «Bettler», «unglücklich», und ist es denn wahr, dass «ein Unglücklicher gar nichts lieben...
