Kinder des Burnouts

Stuttgart: In «The Clickworkers» nimmt das multinationale Europa-Ensemble die schöne neue Arbeitswelt aufs Korn

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Ich habe so viel radikale Empathie», bricht es aus Andela heraus. Wäre es anders, wäre sie auch gar nicht ins neue Cloudworking-Team aufgenommen worden. Damit die Em­pathie auch wirklich radikal bleibt, lässt Chefin Claudia nicht nur sie, sondern auch Tenzin, Adrian, Jasmina und Jan immer wieder vorm grellen Schreibtischlampenlicht niederknien, damit sie anschließend mit aller Gewalt ihre Körper gegen die Wand brettern. Sie sollen lernen, wie Rehe sich fühlen, wenn sie vom Scheinwerfer geblendet von der Motorhaube erfasst und von der Straße gecrasht werden.

Ein absurdes Ritual, bei dem gelegentlich auch Blut fließt.

In dieser Firma wird geschuftet, um verwundete Rehe zu retten. Zumindest scheinbar. Denn eigentlich geht es darum, den Umsatz der Firma zu steigern. Die fünf jungen Leute sollen fürs zielgruppenorientierte digitale Marketing sorgen. Tage- und nächtelange klicken sie sich nun durchs Internet und hacken in rasendem Tempo Texte in ihre Laptops, um online Kunden für die Produkte, etwa T-Shirts, zu finden, im festen Glauben, etwas Gutes zu tun. Denn zehn Prozent des Umsatzes soll dem Tier­schutz zugute kommen. 

«The Clickworkers» ist die vierte Arbeit des Europa-Ensembles, ...

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Theater heute Mai 2020
Rubrik: Aufführungen, Seite 44
von Verena Großkreutz

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