Im Taumel der Zeitenwende
Es schleicht umher, es lauert in den Ecken, es lässt sich nicht aufhalten: das Störgefühl, dass sich etwas anbahnt – ein ungebetener Gast, der durch die Tür spaziert, bevor man ihn überhaupt hineingebeten hat. Das Residenztheater eröffnet die Saison mit zwei Stücken, die sich vor der Kulisse historischer Kipppunkte abspielen: Ödön von Horváths «Kasimir und Karoline» und «Nach Mitternacht» von Irmgard Keun.
In beiden Texten aus den 1930er Jahren taumeln Tagträumer und Nachtschwärmer, Weltenwandler und Stillstandspfleger durch die Unsicherheiten ihrer Zeit zwischen zerfallender Weimarer Republik, Rezession und dem Aufmarsch des Faschismus, zwischen politischen Umbrüchen, ideologischer Vereinnahmung und ökonomischen Zwängen.
Aber wohin mit der dunklen Vorahnung, die sich bedrohlich aktuell auch in den heutigen Gemütszustand einnistet? «In unruhigen Zeiten hilft es, sich zu vergewissern, wo man steht», verkündet Staatsintendant Andreas Beck zum Auftakt der Saison. 18 Premieren plant das Bayerische Staatsschauspiel für die Spielzeit 2025/26 – und will neben dem Schwerpunkt auf «Münchner Geschehen und Geschichte» auch starken Frauen eine Bühne bieten. Horváths Klassiker inszeniert die ...
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Theater heute November 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Ella Rendtorff
Zugegeben: Nach gefühlt drei Jahren Kafka-Festspielen rund um das 100. Todesjahr des großen Autors des 20. Jahrhunderts ist die Kritikerin schon etwas ermattet. Gerade «Der Prozess», der nun auch in Barrie Koskys Musiktheaterabend «K.» die erzählerische Grundlage bildet, wurde zuletzt von Berlin bis Basel immer wieder neu erzählt: Offenbar trifft das um 1914/15...
Auf einmal steht da nach der Pause ein Berg. Ein Berg aus Stühlen, auf den Marin Blülle behände weitere Stühle wirft, die dank Theatertricktechnik alle hängen bleiben. Blülle hat schon im ersten Teil dieses «Mephisto» am Dresdner Staatsschauspiel den kleinen Nazi Hans Miklas gegeben, dem die einen mit Härte und die anderen mit Verständnis beikommen wollen. Doch...
Der Mensch als Zocker. Und der Mensch in einer Welt, die sich längst verzockt hat. Die Gesellschaftsanalyse, die das Schauspielhaus Bochum in konzentrierter Form zur Saisoneröffnung präsentiert, ist so trübe wie schonungslos. Der Intendant selbst inszeniert Dostojewskijs Roman «Spieler», bei dem er den Artikel im Titel weglässt, weil hier doch längst nicht nur der...
