Jonas Hassen Khemiri: «Alles, was ich nicht erinnere», aus dem Schwedischen von Susanne Dahlmann, DVA, 19,99 Euro

Im Strudel der Ichs

Jonas Hassen Khemiri sucht nach Spuren in «Alles, was ich nicht erinnere»

Jonas Hassen Khemiri, hierzulande bekannt durch Stücke wie «Invasion» oder «ungefähr gleich», geht in seinem neuen Roman sehr freigiebig mit dem Personalpronomen «ich» um. So freigiebig, dass das erste Viertel von «Alles, was ich nicht erinnere» weitgehend dafür benötigt wird, um sich einigermaßen zu orientieren. Als erzählendes «Ich» darf sich nämlich jeder benehmen, der vorkommt, was bei einem knappen Dutzend Handlungsträger nicht gerade die Übersicht erhöht.

Dafür gibt es aber auch keine Erzählinstanz, die Überblick und Wahrheit verbürgen könnte: Beides muss sich der Leser selbst suchen, wenn derartiges in dieser Geschichte überhaupt zu finden ist. 

Im Zentrum steht Samuel, von dem man erst zur Hälfte des Buchs ein halbwegs gesichertes Bild erhält: Er ist in seinen 20ern, hat Politik studiert und wollte danach eigentlich bei der UN ganz groß einsteigen, ist aber nur ein gelangweilter Verwaltungsmitarbeiter im Stockholmer Amt für Migration geworden. Auf seinem Namen hat der Vater damals bestanden, weil er meinte, dass Menschen mit Migrationshintergrund und schwedisch klingendem Namen leichter eine Wohnung bekommen. Die Eltern sind geschieden – Mutter Schwedin, Vater ein ...

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Theater heute Dezember 2017
Rubrik: Bücher (12 17), Seite 51
von Franz Wille

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