Im Streuwinkel
Wer die Gegenwart verstehen will, muss ihre historischen Alpträume kennen. Lars von Triers Film «Europa» von 1991 will nicht historische Objektivität zeigen, sondern die Wahnbilder, die das europäische Bewusstsein bis heute verfolgen. So erfand er die Geschichte eines naiven amerikanischen Humanisten, der im Deutschland von 1945 in die Hände der Nazi-Guerillaorganisation «Werwolf» gerät. Als ziviler Schlafwagenschaffner will Leo Kessler Deutschland «etwas Freundlichkeit» zeigen. Und obwohl der Krieg vorbei ist, geht er damit auf eine Reise in die Katastrophe.
Die Rolle der «Werwölfe» wird überzeichnet, weil sie ein passendes Bild für die in Europa bis heute latente Angst vor einem Wiederaufleben des deutschen Faschismus bietet. In diesem Film gibt es keine Antifaschisten, nur machtstrategisch operierende US-Besatzungsoffiziere, opportunistische Deutsche, desorientierte Juden, verkappte Nazis – und einen entscheidungsunfähigen Helden, der wie hypnotisiert durch eine Welt taumelt, die er nicht versteht, und der schließlich mit einer Tat untergeht, die das genaue Gegenteil seiner ursprünglichen Absichten ist.
Magische Bilder, Wechsel von Schwarzweiß-Bildern und farbigen, Bildzitate ...
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