Gelebte Heimatkunde
Herr Müller könnte einer jener Menschen sein, die zur Arbeit fahren, die Strecke wie die eigene Hosentasche kennen und kaum noch etwas wahrnehmen. Früh am Morgen sitzt er noch etwas zerstört in der Straßenbahn und hat alles schon tausendmal gesehen. Berührt hat ihn nichts. Passiert ist nie was, sieht man davon ab, dass die eine oder andere Fassade der Mannheimer Innenstadt gelegentlich von Gerüsten verstellt war. Keine Kulisse, die aus der Straßenbahnfahrt ein Frühsommermärchen machen würde.
Abends allerdings, wenn Müller von seinem Büro zurück zur Wohnung fährt, hat sich etwas verändert. Es braucht Zeit, bis er dahinter kommt, was ihn so seltsam berührt. Es sind diese Menschen, die plötzlich an der Seite der normalen Passagiere in der Straßenbahn sitzen und auf keinen Fall so zielgerichtet unterwegs sind wie er, sondern wie bewegungslose Flaneure die Aussicht genießen.
Sie haben Kopfhörer übergestülpt und werden ganz offensichtlich von periodischen Zuständen der Verzückung heimgesucht. Immer wieder lächelt einer von ihnen, als sei er an der letzten Haltestelle zum Buddhismus konvertiert. So was hat Müller noch nie gesehen, und man kann davon ausgehen, dass er vor einigen Stunden ...
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