Frauentypenkunde
Kaum zu glauben, dass Ödön von Horváth so etwas geschrieben haben soll: Sein Don Juan, der aus dem Ersten Weltkrieg kommt, verkörpert die einzige historische Konstante, nachdem Millionen tot sind, die alte Welt zerbrochen, der Kaiser abgedankt, das Geld nichts mehr wert ist. Nur die weiblichen Reflexe folgen noch der alten Kompassnadel.
Alle Damen der Schöpfung sind nämlich nach wie vor hinter ihm her, einem abgedankten Offizier und notorischen Frauenverzehrer, den das große Morden allerdings zu einer melodramatischen Einsicht gebracht hat: Er sucht seltsam geläutert seine Ex-Geliebte, die er vor Jahren verlassen und betrogen hat und die außerdem schon längst tot ist, was er aber nicht weiß. Der Plot allein ist hochgradig arztromanverdächtig, selbst ohne Arzt.
Noch etwas tiefer blicken lässt Horváths Vorrede. Darin fasst er Don Juan und die 35 Frauen, die ihn von Szene zu Szene mit ihrer Zuneigung verfolgen, souverän zusammen: Sie müssten von weit weniger Schauspielerinnen dargestellt werden, denn: «Es gibt nämlich keine fünfunddreißigerlei Frauen, sondern bedeutend weniger.» Die «gleichen Grundtypen» kehrten immer wieder, weiß Frauenkenner Horváth aus tiefster dramatischer ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute Dezember 2013
Rubrik: Chronik Berlin, Seite 54
von Franz Wille
Letztlich war der Kaffee schuld. Dabei hatte der ehrgeizige Neurochirurg alles so perfekt geplant: zuerst dem Werbefuzzi namens «Du» irgendwie sein schriftliches Einverständnis abgeluchst, dass er ihn nächtens in seiner Wohnung überfallen darf, sein Gehirn entnehmen, in eine Nährlösung packen und an einen Computer anschließen, der ihm eine perfekte Umwelt...
Der Abend zerfällt in zwei Teile. In jenen vor der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie und jenen nach dem Attentat. Der erste Teil: nervös, aufbrausend. Der zweite Teil: lähmend, vor sich hin siechend. Dazwischen: ein schwarzes Loch. Es klafft wie eine große Leerstelle in Biljana Srbljanovic’ neuem Stück, auch wenn...
Wunder der Prärie» – ein Festival, das diesen Namen wählt, muss sich allein auf weiter Flur fühlen. Zu Recht: Nicht nur in seinem Austragungsort Mannheim ist es das einzige Festival der Freien Szene, im ganzen südwestdeutschen Raum gibt es kaum Konkurrenz oder Mitstreiter. «Wunder der Prärie» will in dieser Diaspora zwei Dinge bewirken, sagt Gabriele Oßwald, Teil...