Frauen der Tat
Die Zeit scheint einen Augenblick stillzustehen im rasanten Lauf der Ereignisse: wenn Sylvana Krappatsch als Annette aus ihrem Schatten heraustritt, ihm sachte zuwinkt, dann mit kleinen, aber kräftigen Flatterbewegungen abzuheben, ja, einen winzigen Moment über dem Boden zu schweben scheint, als ziehe sie eine unsichtbare Hand am Schlafittchen nach oben – um sie dann schnell wieder unsanft auf den Boden der Realität zurückfallen zu lassen.
Ein schönes, trauriges, rätselhaftes Bild: für den Abschied vom Geliebtem, der gerade ermordet wurde? Für den Versuch einer Flucht aus dem eigenen Leben? Oder eher für ein kurzes zweifelndes Überlegen, ob das Leben im politischen Widerstand das alles wert ist: solche persönlichen Tragödien, die Trennung von der Familie, die ständige existenzielle Angst, aufzufliegen. Ein intimer Blick ins Innere der Heldin, ein Blick, für den im Epos kein Platz ist, der aber auch auf der Stuttgarter Bühne sin -gulär bleiben wird.
Eine fehlbare Heldin
Nach Hannover und Düsseldorf hat sich also nun auch das Stuttgarter Staatsschauspiel daran gemacht, Anne Webers 2020 veröffentlichten und mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman «Annette, ein ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Aufführungen, Seite 10
von Verena Großkreutz
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