Falk Richter: The Silence
KAPITEL 1: MEINE MUTTER – Teil 1
Also, das geht jetzt irgendwie los … ich versuch mal was …
Wenn meine Mutter ein Theaterstüük über unsere Familie schreiben würde, so wäre der Abend sehr kurz. Sie würde sagen: wir waren sehr glücklich, ich bin sehr stolz auf meine Kinder, sie sind beide sehr erfolgreich, sie haben alles bekommen, was sie wollten, ich habe gut für sie gesorgt.
In meiner Familie haben wir nie darüber gesprochen, wie viele Menschen mein Vater als junger Soldat im Zweiten Weltkrieg getötet hat.
In meiner Familie haben wir nie darüber gesprochen, dass meine Schwester als uneheliches Kind geboren wurde.
In meiner Familie haben wir nie darüber gesprochen, dass mein Großvater meinen Vater sehr oft körperlich misshandelt hat.
In meiner Familie haben wir nie darüber gesprochen, dass mein Vater, nachdem er eine Affäre mit meiner damals noch minderjährigen Mutter begonnen hatte, noch weitere neun Jahre mit seiner ersten Frau zusammenlebte und meine Mutter und meine Schwester in einer Wohnung außerhalb der Stadt versteckte.
In meiner Familie haben wir nie über Literatur gesprochen, nie über Kunst, nie über Film und nie über die Inhalte meiner Texte.
In meiner Familie haben wir ...
FALK RICHTER, geboren 1969 in Buchholz in der Nordheide, langjähriger Hausregisseur u.a. am Schauspielhaus Zürich, der Berliner Schaubühne, dem Düsseldorfer Schauspielhaus, dem Berliner Maxim Gorki Theater, dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg und zuletzt den Münchner Kammerspielen. Autor zahlreicher Stücke, u.a. «Gott ist ein DJ»(1999), «Unter Eis» (2004), «Trust» (2009), «Small Town Boy» (2014) und «In My Room» (2020)
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Februar 2024
Rubrik: Das Stück, Seite 100
von Falk Richter
In den USA bricht nach der Pandemie die Theaterlandschaft zusammen. Das Publikum «ist nicht wiedergekommen», heißt es allerorten, und die Theater, die ausschließlich auf die Einnahmen angewiesen sind, müssen reihenweise schließen. Etablierte Institutionen wie die Autor:innenwerkstatt LARK in New York, das HUMANA Festival in Louisville und viele mehr verschwinden...
AACHEN, DAS DA THEATER
22. nach Fitzek, Der erste letzte Tag
R. Tom Hirtz
AACHEN, THEATER
3. Sapienza, Die Kunst der Freude
R. Anaïs Durand-Mauptit
9. Lorenz und D’Aprile, Das Leben ein Clown (U)
R. Charlotte Lorenz und Jakob D’Aprile
ALTENBURG/GERA, THEATER
4. Böll, Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann
R....
Dass Brecht sich 1947/48 in Zürich für die junge Schauspielerin Regine Lutz interessierte, die ihm als seltsam verhuschte Erscheinung in Gorkis «Wassa Schelesnowa» aufgefallen war, verblüffte die Kollegen am Schauspielhaus. Die aus Basel stammende Elevin hätte viel lieber die lasterhaftere der beiden Töchter Wassas gespielt und hatte deshalb in die vom Regisseur...