Ein Dramatiker seiner Zeit
Als Tankred Dorst schon fast 90 Jahre alt war, 2014, sagte er ganz nebenbei Abschließendes zu jedem überflüssigen Streit über Schauspieltheater oder Performance: «Als ich anfing, Stücke zu schreiben, zu Beginn der 60er Jahre, waren die Grenzen der Darstellung viel enger. Wenn ich mich dagegen heute umschaue, dann sehe ich eine hohe Qualität in einem freien Umgang, Geschichten zu erzählen. Ich denke allerdings schon, Theater sollte eine Geschichte erzählen. Aber da gibt es viele Möglichkeiten.
Wenn jemand über die Bühne geht und sich schnäuzt – auch das ist eine Geschichte. Und wenn es nicht Theater ist, dann nennen wir es eben Thaeter, würde Brecht sagen.» Offener, undogmatischer und neugieriger kann man über sein eigenes Kunstfach nicht sprechen: Wenn das Kunstfach nicht mehr ausreicht, eröffnen wir eben ein neues. Diese Erkenntnis kam nicht pompös daher, sondern nüchtern und bescheiden, mit Verweis auf einen anderen deutschen Klassiker. Da werfen sich sonst deutlich kleinere Autoren wesentlich größer ins Zeug.
So denkt und schreibt jemand, der schon zu Beginn seines Denkens und Schreibens jedem großtönenden Ehrgeiz abgeschworen hatte und seine Existenz als «geschenktes Leben» ...
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Theater heute Juli 2017
Rubrik: Nachruf, Seite 44
von Franz Wille
Auf dem Büchertisch im Erlanger Theater lag es: das gelbe Reclam-Heftchen mit Heinrich von Kleists berühmtem Aufsatz «Über das Marionettentheater». Darin ist zu lesen von den heftigen Zweifeln des Dichters: Puppen- und Figurentheater hält er für etwas «Zusammengezimmertes», das «den Pöbel durch kleine dramatische Burlesken, Gesang und Tanz» belustigt, für «etwas...
Vor acht Jahren ist Oliver Reese angetreten, die Frankfurter zu lehren, ihr Theater wieder zu lieben. Seine Botschaft lautete: «Schauspieler! Theater!» Und so ließ er Porträts seines Ensembles in der ganzen Stadt plakatieren. Denn unter seiner streit- und denklustigen Vorgängerin Elisabeth Schweeger galt das Schauspiel Frankfurt als zu kompliziert und verkopft, und...
Mai 1945. Mit der Kapitulation Hitlerdeutschlands ist auch für den faschistischen kroatischen Ustascha-Staat der Krieg verloren. Um der Rache der Tito-Partisanen zu entgehen, flüchten die kroatischen Soldaten, begleitet von ihren Familien und anderen Zivilisten, nach Norden, bis über die slowenisch-österreichische Grenze, wo sie sich den britischen Besatzern...
