Die Verkörperungskönner
Was heißt Schauspielen heute? In den vergangenen Festivalwochen zeigte das Berliner Theatertreffen eine Auswahl sehr heterogener Spielweisen. In Forced Entertainments «Real Magic« sind es feine darstellerische Nuancen, die das Monströse einer einfachen Situation durch viele Wiederholungen und kleine Abwandlungen sichtbar machen.
Simon Stones Inszenierung von «Drei Schwestern» lebt von ähnlichen Verschiebungen, die Tschechows Klassiker nicht nur in einer neuen Inszenierung zeigen, sondern grundlegend transformieren – in eine andere Erfahrungswelt, andere Sprache, andere Erzählweise. Der Abend wirkt wie eine Uraufführung, und die Figuren wie auch die Art, wie sich ihr Dialog phasenweise zwischen ihnen bewegt, haben sich nach hundert Jahren stark verändert. Durch die Drehbühne verliert das Geschehen in der Inszenierung sein fixes Zentrum, und die Bezüge zwischen Tableau, Sprecher und Text sind ständig in Bewegung. Der Redefluss mäandert durch das auf zwei Etagen verstreute Personal, ohne dass immer genau zu verorten wäre, welche Dialogpartie zu wem innerhalb der sich drehenden Figurentableaus und Räume gehört. Eigentlich geschieht hier nichts sonderlich Theatralisches, sondern alles ...
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Theater heute Juli 2017
Rubrik: Essay, Seite 56
von Thomas Oberender
Stücke sind out, Stückentwicklungen in – der Eindruck drängt sich beim Durchblättern der Spielpläne auch großer Schauspielhäuser seit Längerem auf, zumindest was die aktuelle Dramatik betrifft. Dabei wird oft unterschätzt, dass Selbermachen hier oft eines höheren zeitlichen Aufwands bedarf, den sich die Theater im engen Premierentakt dann doch nicht leisten wollen....
Eine Sensation steht gleich am Anfang des Festivals: die erfrischende und fantasievolle neue Arbeit von Marlene Monteiro Freitas. Schon vor zwei Jahren war der von den Kapverden stammenden und in Lissabon lebenden Choreografin und Tänzerin ein erstaunlicher Beitrag zum Kunstenfestival gelungen. Jetzt hat sie sich am Mythos der Bacchen abgearbeitet mit fünf...
Unter Tage wird geschuftet. Nähmaschinen rattern, Zuschneideapparate kreischen, Ventilatoren surren, und aus dem fensterlosen Lagerhintergrund dringen diffuse Dröhn- und Stampfgeräusche. Neonröhren und vergitterte Fernsehbildschirme, über die der tschechische Trickfilm «Der kleine Maulwurf» flackert, spenden fahles Licht, zwischen Tischen und Raumteilern,...
