Die radioaktive Anstalt

Friedrich Dürrenmatt «Die Physiker», Schauspielhaus, Pfauen

Theater heute - Logo

Unter dem Vorhang blitzt ein Schuh. Als sich der Vorhang lüftet, gehört der Schuh zu einer Leiche und die Leiche zum ersten Fratzenbild, das Regisseur Herbert Fritsch dem Dramatiker Friedrich Dürrenmatt ins Komödienschuhfach geschoben hat.

«Die Physiker» spielen im Irrenhaus. Wobei Fritsch die Raumfrage wie üblich selbst gelöst hat, und zwar einfach raffiniert. Eine emmentalergelbe Gummizelle hat er ins Zürcher Schauspielhaus gebaut.

In der Mitte öffnet sich eine schokobraune Tresortür, in der Regel jedoch turnen die Darsteller wie Zooaffen über die Wände, jeder Abgang schlägt scheppernd im Off auf.

Ein Schelm, wer bei dieser Bühne nicht an die Schweiz dächte.

Über die Krankenschwesterleiche stiefelt Jean-Pierre Cornus Kriminalinspektor Voss achtlos hinweg. Ihm geht es allenfalls ums Protokoll, und so wie Cornu krampfhaft seine dünn verschwitzten Strähnen auf der Glatze befingert, plagt diesen Voss die Paranoia unter der eigenen Schädeldecke ohnehin ungleich heftiger als eine Mordserie in Fräulein Dr. von Zahnds Privatpsychiatrie.

Als Krimi hat Dürrenmatt «Die Physiker» auch nie gedacht, eher schon als einen Urknall der Groteske. So gesehen ist Herbert Fritsch der logische ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Dezember 2013
Rubrik: Chronik Zürich, Seite 60
von Stephan Reuter

Weitere Beiträge
Theaterbücher zum Fest

Hautkontakt
zwischen
Ich und Welt
Rüdiger Safranski:
«Goethe.
Kunstwerk des Lebens»

Rüdiger Safranski ist der große Porträtkünstler unter den deutschen Philosophen, ein erzählender Denker und sanfter Theorieflüsterer, der dem Lesepublikum das wilde Denken so vertrauensbildend zuführt, als wäre die Ideengeschichte ein Streichelzoo. Stets leichtfüßig, elegant und...

Der ganz Andere

Gefühlsoptimismus sieht anders aus: Enrico Lübbe beginnt seine Intendanz in Leipzig mit einem Eifersuchtsmord («Othello»), steigert sich in eine Liebestragödie («Des Meeres und der Liebe Wellen») und findet einen ersten Abschluss im tödlichen Vater/Tochter-Moralmissverständnis («Emilia Galotti»). Soweit das Programm der großen Bühne. In kleineren Formaten widmet...

Franz Ferdinand

Der Abend zerfällt in zwei Teile. In jenen vor der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und dessen Frau Sophie und jenen nach dem Attentat. Der erste Teil: nervös, aufbrausend. Der zweite Teil: lähmend, vor sich hin siechend. Dazwischen: ein schwarzes Loch. Es klafft wie eine große Leerstelle in Biljana Srblja­novic’ neuem Stück, auch wenn...