Die grellen Farben der Mehrheitsgesellschaft
Das vierköpfige Maskenteam um Kerstin Wirrmann hat ganze Arbeit geleistet. Aus jedem der Gesichter von acht Schauspieler*innen des Leipziger Ensembles hat es ein in fast jeder Hinsicht bizarr überzeichnetes Alien-Antlitz herausmodelliert, achtmal verschieden und doch gleich: mit Silikonknete verstärkte Stirn-, Kinn- und Wangenpartie, grellrot geschminkte Kussmundlippen, orangebrauner Sonnenstudioteint, dramatisch verlängerte Wimpernbüsche und feinziselierte Augenbrauenbögen, darüber falsche Haartollen in Kreischblond, Korallenrot oder Nachtschwarz.
Regisseur Nuran David Calis huldigt diesen Drags, die ernst in die Kamera blicken, zu Beginn seiner Adaption von Rainer Werner Fassbinders Film «Angst essen Seele auf» (1974) mit einer Serie von Videoporträts, projiziert auf die nach hinten zu einer Art Schaufenster verjüngte, weiße Bühnenkonstruktion von Irina Schicketanz.
Die Ausgrenzenden irritieren
Zuerst stehen drei dieser Wesen in jener Münchner Gastarbeiterkneipe, in der die rund 60-jährige Emmi den Jahrzehnte jüngeren Salem kennenlernt. Das könnte noch hinhauen, Nachtleben eben. Putzfrau Emmi und Marokkaner Salem dagegen, gespielt von Bettina Schmidt und Roman Kanonik, treten ...
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Theater heute Juli 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 12
von Eva Behrendt
Sie sehen aus, als wären sie einer «Körperwelten»-Ausstellung entsprungen, die Muskelstränge sind freigelegt, das Skelett zeichnet sich am Brustkorb ab, fahle Haarbüschel bedecken ihre bleichen Schädel: Drei Wesen, die mehr tot als lebendig scheinen, torkeln auf die Burgtheater-Bühne (Kostüme: Victoria Behr). Stéphane Laimé hat einen weiteren Balkon gebaut und...
Büchner, der Aktivist, Büchner, der Historiker, Büchner, der Dramatiker – kaum ein Werk ist so oft und gerne Anlass für Befragungen und künstlerische Untersuchungen wie das des jung gestorbenen Riedstädters. Aus Anlass des 200. Jahrestags der Hinrichtung des realen Johann Christoph Woyzecks auf dem Leipziger Markt veranstaltete die dort beheimatete Schaubühne...
Man wünscht sich Kategorien, wenn man über Künstler spricht. Man möchte sagen können: Der macht Musiktheater, performt, macht Aktionskunst. Man möchte sagen können: Der ist ein Mann, die ist eine Frau. Man möchte den Künstler irgendwie fassen. Und der erste große Stein, den einem Tucké Royale in den Weg legt, wenn man versucht, etwas über seine Kunst zu sagen, ist,...
