Die andere Ophelia

Die Schauspielerin Gina Haller spielt am Schauspielhaus Bochum schwache Frauen stark

Theater heute - Logo

Keinen Moment zweifelt Ophelia daran, dass Hamlet sie noch liebt. Das Beste für sie will, auch wenn er es nicht sagen kann. In jener üblen Szene, in der er die junge Frau demütigt, beleidigt, ins Kloster schicken will, hebt sie ihn einfach hoch. Die schmale Gina Haller mit fast kahl rasiertem Kopf, Herrenjackett über dem weißen Kleid, nimmt ihn und stellt ihn woanders hin. Wie um ihm eine andere Perspektive zu verleihen, herauszuheben aus seiner Depression, zu ver-rücken in seiner Verrücktheit. Vielleicht: ihn zu retten durch einen anderen Blickwinkel.

 

Mit einer einzigen Geste, freundschaftlich fürsorglich, verspielt, aber auch voller Rätsel, demontiert Gina Haller da am Schauspielhaus Bochum den Ophelia-Interpretationskanon der Aufführungsgeschichte. Ohnehin ist Johan Simons’ grandiose «Hamlet-Inszenierung» nicht nur der Versuch, Hamlet noch einmal ganz neu zu verstehen – Sandra Hüller spielt ihn tief verinnerlicht als depressive, verlorene Figur, steigt in Unterschichten des verzweifelten Seins. Doch die 32-jährige Schauspielerin Gina Haller ist ihr eine ebenbürtige Gegenspielerin. Dabei ist sie, im Vergleich zum gestandenen großen Star Hüller fast noch eine Anfängerin, das ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Januar 2020
Rubrik: Akteure, Seite 28
von Dorothea Marcus

Weitere Beiträge
Dresden: Anjas Wut

Keine untergehende Berufsgruppe, Partei oder Gesellschaft, die sich nicht wunderbar in der Eigentümerin des «Kirschgartens» spiegeln ließe! Zwar ist die Ranjewskaja mehr als pleite, aber eben auch reich gesegnet mit der Grundarroganz verarmter Aristokraten. Dass ihr Gut versteigert wird, steht zwar unmittelbar bevor, kann aber dessen ungeachtet eigentlich gar nicht...

Cottbus: Kapitalistischer Realismus

«Alles kommt vom Bergwerk her», ein Satz, wie man ihn in Stücken des sozialistischen Realismus oder vielleicht bei naturalistischen Autoren des 19. Jahrhunderts vermuten würde. Hier aber bildet er den Kern des Gewinnerstücks des Kleist-Preises 2019, uraufgeführt am Staatstheater Cottbus. Entsprechend geht es in «Warten auf Sturm» auch nicht um schwarz-staubige...

«Ich habe kein Vertrauen mehr in Politiker»

Theater heute Wenn man die biografischen Texte in «Die Abschaffung der Familie» liest, könnte man denken, die Republik Moldau ist nur einen kleinen Schritt vor der Hölle: extrem verarmt, brutal patriarchalisch und ohne funktionierenden Rechtsstaat. 

Nicoleta Esinencu Ganz und gar nicht. Ich sehe dasselbe hier. Wir leben doch alle in patriarchalischen...