Dezenz ist Schwäche
Den Zustand der Erregung, den Schauspieler beim Zuschauer, bei ihren Bewunderern und Verehrerinnen auszulösen vermögen, kenne ich vor allem aus meiner Berliner Studienzeit. Frustriert vom damals an der FU eigentlich nicht möglichen theaterwissenschaftlichen Studium, war ich Stammgast an Barlogs Bühnen, dem Schlosspark- und Schillertheater, pilgerte ich – soweit es die schmale Studentenkasse zuließ – ins Berliner Ensemble oder ans Deutsche Theater, die damals nur mit zusätzlichen Passierscheinkosten zu erreichen waren.
Ja, das war meine beste und begeisterndste Theaterzeit, weil es beste Schauspielerzeit war, deren stimmliche Vielfalt ich noch heute im Ohr habe: Martin Helds sarkastische Orgeltöne in Becketts Inszenierung von «Das letzte Band», Lieselotte Raus schwingend klare, betörend warme, ganz individuelle Sprechart, die Giraudouxs dramatische Poesie etwa in «Intermezzo» zum Klingen brachte, oder die elegante Brillanz, mit der Eva Katharina Schultz und Erich Schellow sich in Schweikarts «Der Menschenfeind»-Inszenierung dialogisch duellierten. Das machte süchtig! «Menschenfeind» habe ich vierzehn oder fünfzehn Mal gesehen, die anderen genannten Inszenierungen sicherlich auch ...
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Im Londoner Bush Theater tropft’s durchs Dach, und die Bühnenbeleuchtung funktioniert nicht. Statt einfach einen Monat lang die Blaumänner anzuziehen und dicht zu machen, ging man konstruktiv mit der Notlage um: Man rief die Broken Space Season ins Leben. Jeden Abend konnte man drei wechselnde Kurzdramen in Minimalbeleuchtung sehen, und da man das Bush kennt als...
Franz Wille auf der Mailbox: «Lieber Falk, hier ist Franz, ruf doch mal bitte zurück.» Hm, was kann das bedeuten? Er will mein neues Stück abdrucken, wie toll, da freu ich mich aber, und dann, nein, nein, du, hör mal, wir haben da so ‘ne Rubrik «Gegenkritik», ach so, hmm, das ist so ‘ne Loserrubrik, wir fanden nämlich deine «Kabale und Liebe»-Inszenierung alle so...
Ein erstes Engagement an einem kleinen Haus mit wenig Geld kann für junge spielhungrige Schauspieler durchaus ein Glücksfall sein, vor allem, wenn es wie das Münchner Volkstheater im Einzugsbereich einer großstädtischen Presselandschaft liegt. Hier müssen Berufsanfänger sich nicht jahrelang durch Trash-Projekte der Dramaturgie kämpfen, hier wird gleich «groß»...