Cottbus: Kapitalistischer Realismus

Peter Thiers «Warten auf Sturm» (U)

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«Alles kommt vom Bergwerk her», ein Satz, wie man ihn in Stücken des sozialistischen Realismus oder vielleicht bei naturalistischen Autoren des 19. Jahrhunderts vermuten würde. Hier aber bildet er den Kern des Gewinnerstücks des Kleist-Preises 2019, uraufgeführt am Staatstheater Cottbus. Entsprechend geht es in «Warten auf Sturm» auch nicht um schwarz-staubige Kohle oder goldglühenden Stahl, sondern um die seltene Erde Coltan, wobei dies eher ein Verfremdungseffekt der Parabel denn Aktualisierung des Motivs ist.

Kleist-Preisträger ist Peter Thiers, geboren 1991 und neben seinen Tätigkeiten als Autor auch als Regisseur und Filmemacher unterwegs. 

Thiers greift nun scheinbar tief in die Szenarienkiste des sozialkritischen, ja sozialistischen Dramas um die Ausbeutung der Arbeiter und ihre Befreiung. Doch es beginnt mit eben jener ominösen Coltanmine, in der die Cleaner (gesprochen: Kle-aner) seit Generationen Coltan abbauen und ihr gesamtes Leben fristen, während oben der Geschäftsführer Noon (Axel Strothmann) im Auftrag des Minenbesitzers Winter (Boris Schwiebert) die Ausbeutung organisiert. Ein stabil funktionierendes System, das alle zufriedenstellt, auch wenn Noons adoptierte ...

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Theater heute Januar 2020
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Torben Ibs

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