Bombenstücke
Die deutsche Dramatik hat die Bombe. Sie wird am Flughafen deponiert, sprengt den Stuttgarter Hauptbahnhof in die Luft, ebnet ganze Städte ein, verwüstet Länder, und wenn sie zu weit entfernt von Europa explodiert, dann grüßt ihr Feuerschein wenigstens im Fernseh-Bild, ihr fetter Sound untermalt professionelle Betroffenheit. In zahlreichen neuen Stücken, die in den letzten Monaten zur Uraufführung kamen, wirkte der große Knall als Metapher für die Gegenwart.
Mal ironisch, mal zynisch, dann wieder realistisch oder fantastisch eingesetzt wird die reale oder erwartete Explosion zum Ankläger einer Zeit, die angeblich aus den Fugen geraten ist.
Nun ist keines dieser Stücke zum Wettbewerb um den Mülheimer Dramatikerpreis eingeladen worden, obwohl der Hang zum Drastischen ganz offensichtlich eine virulente Zeiterscheinung ist. Dazu gibt es zwar keine Begründung des Auswahlgremiums, aber doch eine Menge Indizien, warum gute Dramatik sich eben doch besser in der Verweigerung des Knalleffekts entwickelt. Das heißt nicht, dass es keine drastischen Erfahrungen gibt, über die es sich lohnt, Stücke zu schreiben. Missbrauch, Emigrantenschicksale, Armut und ungeklärte Todesursachen sind Themen, die ...
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