Baut auf, baut ab
«Die Gedanken werden besinnungslos», hat Elfriede Jelinek in einem Kommentar zu «Macht nichts. Eine kleine Trilogie des Todes» geschrieben. Ein dazwischengerutschter Satz vielleicht, womöglich aber auch Teil der Jelinekschen Poetologie: Was sind ihre Sprachspiele und Metonymien anderes als ein Entwischen vor der Besinnung, ein fortwährendes Flüchten vor der Endgültigkeit? Andernfalls: Textende, Schweigen, Depression. «Es ist alles eins», lautet denn auch der tödlich frustrierte Ohnmachtsschluss in dieser Text-Selbsterklärung.
Tatsächlich handelt Jelineks 2002 mit dem Mülheimer Dramatikerpreis prämierter Dreiteiler von der Verwischung der Täter-Opfer-Grenze im Angesicht des Todes. Er beginnt mit dem fiktiven Täterinnenmonolog der Nazi-verstrickten Burg- und Volksschauspielerin Paula Wessely, holt Luft im Dialog zwischen Schneewittchen und Jäger, die über das Gute, Wahre, Schöne philosophieren, und stürzt ab in den Monolog von Jelineks jüdischem Vater, der, um sich zu retten, dem Regime zu- und sich selbst in den Wahn gearbeitet hat. Und wie viele andere Jelinek-«Stücke» auch sind diese nach Schubertliedern benannten Textteile eine herausfordernde Zumutung für Schauspieler.
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